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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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legte seinen Kopf zur Seite. “Ich glaube, das wirst du wirklich”, sagte er. Trotzdem kam er ihm nicht zu Hilfe. “Du hast nicht geschrien”, sagte er.
    “Tue ich … nie …”
    “Du hast kein Geräusch gemacht, als sie dich gefoltert haben. Du hast Mut.”
    Joe spürte, wie sein Körper zitterte, und merkte, dass er lachte. “Was … würde es nützen, zu schreien?”
    Boucher betrachtete ihn noch einen Augenblick länger und löste dann die Kette, mit der Joe aufgehängt war. Joe fiel hinunter und schlug hart auf dem Boden auf. Der Schmerz war fast sein Ende.
    Boucher kniete sich hinter ihn. Joe fühlte, wie die Handschellen aufsprangen, obwohl Boucher keinen Schlüssel hatte.
    “Kannst du aufstehen?”, fragte Boucher.
    Joe kroch auf seine Knie. Strudelnde Schwärze versuchte, ihn hinabzuziehen. Eine starke schmale Hand zog ihn an den Fetzen seines Hemdes hoch.
    Die Augen, die in seine starrten, waren tiefbraun mit einem Hauch Rot. “Wirst du mir dienen?”, fragte Boucher.
    Kälte überlief Joe. “Wie?”
    “Als mein Vollstrecker. Du wirst dafür sorgen, dass andere Menschen mir untergeben bleiben.”
    “Me-Menschen?”
    Boucher lächelte. Irgendetwas stimmte überhaupt nicht mit seinen Zähnen.
    “Mach dir keine Sorgen, Junge”, sagte er, “du wirst nicht länger zu ihnen zählen.”
    Er beugte sich vor und zerriss den Kragen von Joes Hemd. Für einen Moment schien es, als würde er den Ansatz von seinem Hals küssen, und Joe schlug panisch um sich. Aber dann spürte er, wie ein merkwürdiger Frieden, vermischt mit unbegreiflicher Freude, ihn erfüllte, und seine Muskeln entspannten sich.
    Als er erwachte, spürte er keinen Schmerz. Er lag nackt zwischen sauberen Laken, und an seinem Körper war keine Spur einer Verletzung zu entdecken. Der Raum, in dem er lag, war spartanisch, es befand sich nicht mehr als ein Bett und eine Waschschüssel darin, aber in dem schlichten Schrank an einer Wand hing saubere Kleidung.
    Joe stand aus dem Bett auf und spürte, wie neue Kraft durch seinen Körper strömte und mit ihr ein reißender Hunger, wie er ihn noch nie zuvor gekannt hatte. Er hatte gerade angefangen, sich anzuziehen, als Boucher den Raum betrat.
    Sofort erinnerte sich Joe an alles. Und in ihm geschah etwas Merkwürdiges. Als er Boucher ansah, wusste er, dass er an den Mann gebunden war, gebunden auf eine Art, die er sich nicht erklären konnte.
    “Gut”, sagte Boucher. “Du wirst mit mir kommen, und ich werde dich in allem anleiten, was du wissen musst.” Er lächelte und berührte Joes Gesicht, wie ein Mann, der sein Lieblingshaustier streichelt. “Du sollst deinen Namen erst einmal behalten. Eines Tages, wenn du es verdient hast, darfst du deinen eigenen wählen.”
    Er drehte sich zur Tür. Joe schloss die Augen und spürte einen Wirbel der Gefühle.
    “Was bin ich?”
    Boucher hielt inne. “Du bist mehr als ein Mensch, mein Protegé. Und du wirst tausend Jahre leben.”
    Dorian wachte noch einmal auf. Es dauerte einige Minuten, ehe er die Vergangenheit von der Gegenwart trennen konnte.
    Joseph. Dorian. Kein Name hatte jetzt noch Bedeutung. Bald würde die Hülle seines Körpers beginnen zu verrotten. Er würde sich nicht mehr bewegen können, und dann würde sein Gehirn beginnen zu sterben.
    Er ließ sich zurücksinken in die Halbwelt aus formlosen Träumen und Visionen. Manchmal glaubte er Gwen Murphy zu sehen, ihr herzförmiges Gesicht gerahmt von sanften roten Locken, leuchtend grüne Augen, die Lippen leicht geöffnet, kurz davor, ihn zurechtzuweisen. “Du darfst nicht sterben”, sagte sie, “ich werde es nicht zulassen.”
    Merkwürdig, wie klar ihre Stimme war. Klar und kräftig, als könnten Worte allein ihn vom Abgrund zurückhalten. Aber sie war es, für die er überhaupt hergekommen war. Es war leicht, loszulassen, wenn er daran dachte, wie sie im Krankenhaus auf dem Stuhl geschlafen hatte, wie ihre Wimpern ihre Wange berührt hatten und wie sie überhaupt nicht gemerkt hatte, wie nahe sie dem Tod gekommen war.
    Seine aufgesprungenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Gwen. Sie hatte ihn gerettet. Ihn gerettet, indem sie ihm gezeigt hatte, was zu tun war. Er schloss seine Augen.
    “Nein!”
    Er spürte, wie etwas seinen Arm berührte, und versuchte, es wegzuwischen. Vielleicht hatten die Ratten wieder Mut gefasst.
    “Dorian!”
    Ein sanfter Lufthauch blies ihm ins Gesicht. Er bildete sich ein, Blumen zu riechen.
    “Wach auf!”
    Jemand begann ihn zu schütteln. Er

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