Die dunkle Macht des Mondes
Aktenheftern und Tintenflecken, auch wenn es Anzeichen gab, dass Gwen gerade versucht hatte, ihn aufzuräumen. Eine altmodische Schreibmaschine nahm den mittleren Platz vor dem schäbigen Schreibtischstuhl ein.
Ebenfalls auf dem Tisch befand sich die Fotografie eines Mannes, der eine Urkunde hochhielt, die sich bei näherem Betrachten als Pulitzerpreis für Journalismus herausstellte. Dorian nahm das Foto hoch. Der Mann hatte ergrautes kastanienbraunes Haar und lebhafte Augen, die Dorian unwahrscheinlich an Gwen erinnerten. Der Name auf dem Zertifikat lautete Eamon Murphy.
Dorian stellte das Foto wieder hin und öffnete einen der Ordner. Darin befanden sich mehrere Nachrufe auf Eamon Murphy und einige Zeitungsartikel, die er geschrieben hatte. Die Anzahl allein und ihre Präsenz auf den Titelseiten sagten ihm, dass Eamon einer der erfahreneren Reporter beim
Sentinel
gewesen sein musste.
Dorians Neugierde war geweckt. Er fuhr damit fort, die Notizen und Ausschnitte zu lesen. Am Ende des Stapels fand er ein herausgerissenes Stück Zeitung, eine Seite aus dem
Sentinel
, datiert acht Monate zuvor. Die Seitenzahl ließ darauf schließen, dass dieser Murphy-Artikel, mit rotem Stift umrahmt, eine beschämende Position auf den letzten Seiten der Zeitung erhalten hatte. Aber als Dorian begann, die Überschrift zu lesen, stellten sich alle Haare in seinem Nacken auf.
Blutsekte verantwortlich für aktuelle Mordserie?
Er überflog die Zeilen. Murphy trug die scheinbar bizarre Theorie vor, dass mehrere Morde, die in den Monaten vor dem Datum auf der Zeitung begangen worden waren und die von der Polizei dem Kampf von Mafiabanden um ihre Territorien zugeschrieben wurden, in Wirklichkeit die Tat einer geheimen Sekte waren, die von Manhattan aus agierte. Einer Sekte, die als einzige ihrer Art die Leichen ihrer Opfer bis auf den letzten Tropfen Blut entleerte. Die Story war kaum mehr als ein paar Zeilen lang, und es gab keine Bilder. Die Redakteure des
Sentinel
hatten Murphys Vermutungen eindeutig für nicht plausibel genug befunden, um ihnen einen besseren Platz in der Zeitung zu geben.
Am Ende der Seite befand sich noch ein kaum lesbarer Schriftzug in einer weiblichen Schrift:
Morde am Flussufer?
Dorian ließ die Zeitung fallen. Er hatte dummerweise angenommen, dass Gwens Interesse an dem Dreifachmord an den Docks nichts anderes war als das einer Reporterin, die einer weiteren Story über die Auftragsmorde zwischen den Gangs nachspürte.
Keiner der weiteren Artikel warf ein Licht auf Murphys Vermutungen oder Gwens Nachforschungen. Die vordere Schublade des Schreibtischs war verschlossen. Dorian brach sie auf und fand einen Ordner, der überquoll vor liniertem Notizpapier und noch mehr Zeitungsausschnitten. Auf dem Etikett stand:
Dads Notizen
. Dorian legte den Ordner auf den Tisch und breitete die Ausschnitte auf der Schreibfläche aus.
Etwa die Hälfte der Artikel beschäftigte sich mit Morden, die in den vergangenen zwei Jahren verübt worden waren. Die Aufzeichnungen reichten von solchen, die der Mafia zugeschrieben wurden, bis zu ungelösten Morden. Notizen in einer männlichen Handschrift, meist unleserlich, schmückten die vergilbten Seitenränder.
Ein einziges, zerrissenes Blatt weißes Papier, sauber getippt, verriet Murphys Gedanken.
Sie existieren. Ich weiß noch nicht, wer sie sind, aber ich weiß, dass ich kurz davor stehe, etwas Wichtiges aufzudecken, etwas, dass die Mörder entlarven und meine Vermutungen bestätigen wird.
Es wird immer deutlicher, dass diese Organisation keiner der Gangs in Manhattan gegenüber loyal ist, sondern eine ganz spezifische eigene Agenda verfolgt. Heute ist ein Mann zu mir gekommen. Er nannte sich selbst Aadon und behauptete, unschätzbar wertvolle Details über mehrere der letzten Morde zu kennen, die meine Augen zu einer Welt öffnen würden, die allen außer ein paar Privilegierten verborgen bleibt. Er hat ein Buch mitgebracht, das ich gerade erst angefangen habe zu lesen. Ich habe jetzt Grund zu der Annahme …
Hier hörte die Notiz einfach auf. Am unteren Rand hatte Gwen geschrieben:
Seiten fehlen. Warum? Welches Buch? Wer ist Aadon?
Die letzten drei Wörter waren heftig unterstrichen. Dorian rieb sich das Kinn und starrte auf die geschlossenen staubigen Vorhänge hinter dem Schreibtisch.
Aadon.
Den Namen hatte er noch nie gehört, und er wusste auch nicht, von welchem Buch Eamon geschrieben hatte. Die Vermutungen des Reporters wären den meisten Menschen wie das wirre
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