Die dunkle Macht des Mondes
wenig zu viel Neugierde entwickelte.
Die meisten Reporter, die an Geschichten über Mafiamorde oder ähnlichen Verbrechen arbeiteten, nahmen einfach an, dass sie von einem der hochgestellten menschlichen Bosse in der Stadt angeordnet waren. Sie nahmen nie an, dass Raouls Gang sich von den anderen unterschied, und das war ihr Glück.
Wenn Raoul von Gwens Vater gewusst hatte, dann besaßen vielleicht auch seine Möchtegernerben, Kyril und Christof, dieses Wissen. Sie könnten merken, dass Gwen und Hewitt mit Eamons Nachforschungen weitermachten. Und ob sie es herausfanden oder nicht und ob sie dann etwas taten, um Gwens Arbeit zu behindern, lag ganz allein daran, wie weit Gwen mit ihrer Beharrlichkeit daran kam, die Wahrheit über die Existenz von Vampiren herauszufinden.
Dorian schlug mit der Faust gegen die nächste Wand. Er hätte sich nie mit einem Menschen einlassen dürfen. Er hätte nie seinen Instinkten nachgeben und Gwens Blut trinken dürfen, nur um sich selbst am Leben zu erhalten.
Aber der Schaden war angerichtet. Er hatte nur einmal von ihr getrunken, und nur das Nötigste – es hatte nie die Gefahr bestanden, dass er sie zum Vampir umwandeln würde. Doch jetzt, da er ihr Blut gekostet hatte – da er ihr erlaubt hatte, sein Dasein zu beeinflussen –, konnte er nicht gestatten, dass sie ihr Leben wegwarf.
Was also war zu tun? Weiter mit ihr zu diskutieren würde sie nur misstrauisch machen, was seine Motive anging. Er musste einen Weg finden, Gwens Fortschritte genau zu überwachen und ihre Nachforschungen schließlich auf einen falschen Weg zu lenken. Um das zu tun, würde er in ihrer Nähe bleiben müssen. Aber menschliche Moral würde es kaum gutheißen, wenn er weiterhin den Lebensraum mit einer jungen, unverheirateten Frau teilte.
Den Rest des Nachmittags verbrachte er damit, die Notizen zu lesen, die Gwen zurückgelassen hatte, und sich zu überlegen, wie er am besten handelte. Er machte mehrere Sandwichs und aß sie schnell, ohne etwas zu schmecken. Er merkte es kaum, als das Licht vor dem Fenster trüber wurde und die Straßenlaternen mit ihrer mickrigen Verteidigung gegen das Dunkel der Nacht begannen.
Gwen platzte um Viertel nach sieben in die Wohnung. “Gute Neuigkeiten!”, rief sie und warf ihre Aktentasche aufs Sofa. “Ich habe einen Job für Sie.”
Ihre Worte ergaben kaum einen Sinn für ihn. Er stand ungelenk da, die Hände hinter dem Rücken gefaltet. “Einen Job?”
Sie sah ihn vorsichtiger an. “Sie haben sich nicht ausgeruht, stimmt’s?”
Die Leichtigkeit, mit der Gwen sprach, deutete an, dass sie ihre Befangenheit über ihr Benehmen am Tag zuvor überwunden hatte. Dorian hatte in den Stunden ihrer Trennung nichts dergleichen erlebt. Ihre Nähe löste einen fast unerträglichen Hunger aus, der jeden seiner Muskeln zur Jagd anspannte.
“Es geht mir recht gut”, sagte er steif.
“Sie sehen auch besser aus. Ich habe noch nie erlebt, wie jemand sich so schnell erholt. Das ist fast gruselig.” Sie knöpfte ihren Mantel auf. “Haben Sie etwas gegessen?”
“Ja.” Er drehte sich fort, um nicht sehen zu müssen, wie ihr Blut unter ihrer blassen Haut pulsierte. “Hatten Sie einen angenehmen Tag?”
Sie lachte. “Wo haben Sie gelernt, Small Talk zu machen, Dorian? Ach, ist auch egal. Ich kann es auch nicht gut.” Sie streckte sich auf dem Sofa aus und entledigte sich mit einem befriedigten Seufzer ihrer Schuhe. “Ich habe darüber nachgedacht, wie ich Sie in die Welt der Lebenden zurückbringe. Heute habe ich herausgefunden, dass unser Nachthausmeister eine andere Stelle gefunden hat. Ich habe Mrs. Frost – sie ist für die Hausangestellten zuständig – gesagt, dass ich den perfekten Kandidaten kenne, um ihn zu ersetzen. Sie.”
“Ich verstehe nicht.”
“Was gibt es da zu verstehen? Eine Arbeitsstelle bringt Sie von der Straße. Es sei denn, Sie glauben, Sie sind zu gut für diese Art von Arbeit.”
Dorian ging im Raum umher, seine Gedanken vor Verlangen vernebelt. “Nein”, sagte er. “Ich … Warum sollten Sie mir eine Stelle bei Ihrer Zeitung zutrauen?”
“Warum sollte ich nicht?”
“Wie viel wissen Sie wirklich von mir, Gwen?”
Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Alles Lachen war aus ihren Augen verschwunden. “Okay. Dann reden wir eben hier und jetzt darüber. Was ist im Lagerhaus passiert, Dorian? Wessen Blut habe ich gefunden?”
Das ist es also, dachte Dorian grimmig, die Chance, sie ein für alle Mal zu
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