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Die dunkle Muse

Die dunkle Muse

Titel: Die dunkle Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Oehri
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wechselte Julius
das Thema: »Und, Herr Kommissar, sind Sie meinen Hinweisen im Fall Hackeborn nachgegangen?«
    Befangen
sah Bissing den Zeichner an.
    »Hat sich
erledigt«, meinte er knapp.
    »Wie meinen
Sie das?«
    »Es hat
sich herausgestellt, dass die Daten unvollständig waren«, beschied ihn der Kommissar
mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete. »Wir haben eine zweite Akte gefunden,
in der die korrekten Maße verzeichnet waren. Ihnen muss da ein Fehler unterlaufen
sein, Julius; aber das passiert jedem Anfänger einmal.«
    »Ein Fehler?«
    »Ja, ein
Fehler«, bestätigte Bissing mit Nachdruck. »Übrigens, ich werde in nächster Zeit
einen Boten vorbeischicken, der meine Bilder abholen soll. Gideon, wussten Sie,
dass Herr Bentheim nicht nur Leichen malt? Auch seine Porträts vom lebenden Objekt
sind nicht zu verachten. Wer weiß, vielleicht werde ich Sie Ihnen bei Gelegenheit
einmal zeigen.«
    Bentheim
fühlte sich äußerst unbehaglich. Mit den Fingerspitzen klopfte er sacht gegen die
Schläfen und dachte über Bissings Worte nach, die einer Drohung gleichkamen.
    Nach über
einer Stunde kehrten die drei ins Kollegienhaus zurück. Von kräftiger Fleischbrühe
und einem Wurstteller gestärkt, war Bentheim wieder ganz er selbst. Er redete sich
ein, dass alles zum Besten bestellt sei, Bis­sing mache nur Spaß und Filine würde
gewiss einen Weg finden, um mit ihm Kontakt aufzunehmen. So schob er seine Befürchtungen
von sich. Im Gerichtssaal musterte er Botho Goltz. Gleichgültig griff er nach einem
Stift und vertrieb sich die Zeit mit einer Skizze, bis Johann von Jänert die Sitzung
wieder eröffnete und Emil Polte die Befragung fortsetzte.
    »Erzählen
Sie, Herr Professor. Wie war Ihre Beziehung zu Fräulein Kulm?«
    »Wir liebten
uns innig.«
    »Das ist
eine Lüge!« Diesmal war es nicht Görne, der aufsprang, sondern Gregor Haldern. Bisher
hatte er die Verhandlung eher teilnahmslos verfolgt.
    Unerschütterlich
fuhr Polte fort: »Sie behaupten, Liebesbriefe des Opfers besessen zu haben?«
    »Das ist
korrekt.«
    »Wie viele
waren es?«
    »Ich führe
nicht Buch über diese Dinge, aber zwei Dutzend werden es wohl gewesen sein.«
    »Sie behaupten
ferner, diese Liebesbriefe in einem Holzkorb deponiert zu haben. Finden Sie nicht
auch, dass dies ein relativ ungewöhnlicher Aufbewahrungsort für Korrespondenz ist?«
    Botho Goltz
wurde verlegen – oder zumindest sollte es so aussehen. Bentheim wusste, dass sich
vor aller Augen eine unfassbare Schmierenkomödie abspielte, als der Professor pathetisch
sagte: »Ich habe den Ort nicht ausgewählt, um die Briefe zu lagern, sondern um sie
zu verstecken, verehrter Herr Beisitzender.«
    »Wovor?«
    »Die Frage
sollte lauten: vor wem? Die Antwort ist leicht zu erraten. Vor Herrn Haldern. Schon
einmal war er in meine Kammer eingedrungen und hatte mich bedroht. Er ist jähzornig,
ein gewalttätiger Mensch. Sogar seine Nachbarin kann das bezeugen. Um genau zu sein,
hat sie das bereits getan. Letzte Woche. Eidlich versichert.«
    Polte rutschte
auf seinem Stuhl hin und her. Er bedachte seine beiden Richterkollegen mit einem
Blick, um sich ihrer Zustimmung zu vergewissern. »Dem Hohen Gericht fällt es schwer,
Ihren Ausführungen Glauben zu schenken. Gleichwohl erachten wir es als erwiesen,
dass sich die Preußische Justiz einen groben Fehler leisten würde, wenn sie die
in der Mietskaserne sichergestellten Spuren als Beweismittel akzeptierte. Der Tatort
wurde verunreinigt, was eindeutig aus den Zeugenaussagen hervorgeht. Dem Antrag
wird teilweise stattgegeben: Die im Flur und in Herrn Halderns Wohnung sichergestellten
Spuren sind rechtsgültig aufgenommen. Jene von Herrn Goltz’ Wohnung sind von der
Beweisliste zu streichen. Die Verhandlung ist vertagt.«
    »Ich danke
dem Hohen Gericht«, sagte Goltz selbstgefällig.
     
    Völlig in Gedanken versunken betrat
Bentheim sein Zuhause. Er ging durchs Vestibül, nahm die Treppe nach oben und schloss
sich in seinem Zimmer ein. Heller Sonnenschein drang durch das Fenster. Der Staub,
der sich an mehreren Stellen angesammelt hatte und vom Tageslicht angestrahlt wurde,
ermahnte ihn, vermehrt mit einem Putzlappen zu Werke zu gehen. Die Zeichnungen von
Filine waren verschwunden, ebenso eines der vier Bilder, die er für Bissing angefertigt
hatte.
    Julius verwünschte
den Kommissar, er fluchte auf Albrecht, der ihm die Arbeit vermittelt hatte, und
zu guter Letzt schalt er sich selbst einen Idioten, weil er das verhängnisvolle
Angebot

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