Die dunkle Muse
der Angeklagte?«
»Er war
ruhig, doch wenig kooperativ.«
»Erklären
Sie das.«
»Als wir
ankamen, saß er in seinem Zimmer auf einem Stuhl und schwieg. Es war kein Wort aus
ihm herauszubringen.«
»Wie erklären
Sie sich das Blut an seiner Kleidung, von dem Sie gesprochen haben?«
»Die ganze
Dachkammer war voller Blut.«
Lächelnd
sah Theodor Görne zum Tisch der Verteidigung. »Keine weiteren Fragen. Ihr Zeuge,
Herr Anwalt.«
Als Fabian
Heseler aufstehen wollte, fasste ihn Botho Goltz sanft am Arm, worauf er sitzen
blieb. Atemlose Spannung erfasste die aufmerksamsten Zuschauer, denen diese kleine
Geste nicht entgangen war. Der Professor erhob sich, reckte seine unförmige Figur,
indem er ein paar Wirbel knacken ließ, und trat vor den Zeugenstand.
»Mein lieber
Freund«, wandte er sich an den Gendarmen, »ich möchte vorausschicken, dass ich –
wie jeder anständige Bürger – die Arbeit der Polizei äußerst schätze. Mitunter kann
es jedoch vorkommen, dass im Eifer des Gefechts einige Kleinigkeiten untergehen.«
Der Polizist
musterte ihn mit unverhohlener Abneigung, entgegnete jedoch nichts.
»Es liegt
an diesem ehrenvollen Gericht, die Wahrheit herauszufinden, und auch ich bin gern
bereit, ihr auf die Sprünge zu helfen, guter Mann. Sagen Sie, als Ihre Arbeit zu
Ende war – was haben Sie da mit Ihrer Uniform gemacht?«
»Ich verstehe
nicht.«
»Sie verstehen
eine ganz simple Frage nicht? Aber Herr Wachtmeister, was haben Sie mit Ihren Kleidern
getan?«
»Ich habe
Sie in der Spüle eingeweicht und am Morgen meiner Gattin zum Waschen übergeben.«
»Wieso?«
»Wegen dem
Blut natürlich.«
»Es gab
also Blut an Ihrer Kleidung. Interessant. – Sagen Sie, weshalb hat man Sie nicht
verhaftet?«
Gelächter
erfüllte den Saal und Bentheim erwachte aus seiner Lethargie. Für einmal vergaß
er seinen Kummer und folgte dem Geschehen. Der Professor kratzte sich mit der Hand
an den rasierten Stellen seiner Wangen, wie er es bereits in der letzten Sitzung
getan hatte, und meinte: »Kann es sein, dass die eigene Kleidung Blut aufweist,
ohne dass man selbst als Täter infrage kommt?«
Diesmal
schien Detlof mit der Antwort zu zögern. »So gesehen, schon. Aber Sie waren doch …«
»Das reicht,
seien Sie still!«, fauchte Goltz. Die plötzliche Aufwallung eines Gefühls faszinierte
das Publikum.
»Von Ihnen
lasse ich mir nichts vorschreiben!«, rief der Zeuge mit hochrotem Kopf.
»Wirklich
nicht?«
»Fahren
Sie zur Hölle, Sie Teufel!«
»Antworten
Sie lediglich mit einem Ja oder mit einem Nein.«
Der Richter
sah sich genötigt, dem Spuk ein Ende zu machen. »Ich muss auf Ruhe bestehen«, fuhr
Johann von Jänert den Polizisten an. »Tun Sie, was Professor Goltz in seiner Funktion
als Verteidiger von Ihnen verlangt.«
Mit öliger
Stimme und beinahe kriecherischer Körperhaltung wandte sich Goltz an das Richtertrio.
»Ich danke vielmals für die Unterstützung. Es ist ein Segen, dass Preußens Justitia
zwar blind, aber nicht taub ist.«
Jänerts
Hammer donnerte auf das Richterpult. »Herr Angeklagter, in Anbetracht der Tatsache,
dass Ihrem Wortlaut nichts vorzuwerfen ist, spreche ich kein Bußgeld aus. Ich warne
Sie aber, treiben Sie es nicht zu weit!«
Ohne auf
den Richter einzugehen, drehte sich Goltz zu dem Polizisten um und fuhr ungerührt
mit der Befragung fort.
»Morgens
um vier ist die Dachkammer sehr zugig, nicht wahr?«
»Ja.«
»Froren
Sie?«
»Ja.«
»Obwohl
es Juli war?«
»Ja.«
»Ich sehe,
Sie befolgen meine Anweisung, nur mit Ja oder Nein zu antworten, mit sichtlichem
Genuss.«
»Ja.«
»Sehr gut,
sehr gut, aber nun, guter Mann, erzählen Sie, was Sie gegen die Kälte gemacht haben.«
»Wir entzündeten
ein Feuer. Sie selbst haben uns den Rat erteilt. Das wissen Sie doch.«
»Ich schon.
Aber nicht die Geschworenen. Sie können ruhigen Gewissens etwas ausführlicher sein,
solange sie nicht wieder beleidigend werden.«
Der Polizist
atmete tief durch, schwieg jedoch.
Nach einer
quälend langen Pause beugte sich Richter Jänert vor und meinte: »Herr Detlof, es
geht hier um Schuld oder Unschuld und deshalb auch um Leben und Tod. Vor diesem
Hintergrund möchte ich der Verteidigung, so weit es vertretbar ist, einen gewissen
Spielraum lassen. Antworten Sie bitte auf die Fragen.«
Wie gebannt
hatten sich die Geschworenen vorgebeugt.
»Im Zimmer
des Professors befindet sich ein gusseiserner Ofen«, erklärte der Polizist, offensichtlich
zu den Zuschauern gewandt und den
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