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Die dunkle Muse

Die dunkle Muse

Titel: Die dunkle Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Oehri
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direkten Blickkontakt mit Botho Goltz meidend.
»In der Feuerstelle befand sich ein wenig Brennholz. Wir haben es entzündet.«
    »Dabei haben
Sie gewiss meine persönlichen Unterlagen sichergestellt, wie es sich für brave Ordnungshüter
gehört, nicht wahr?«
    »Welche
Unterlagen?«
    »Einspruch!«,
donnerte Görne.
    »Weshalb?«,
erwiderte der Richter. »Ich würde zu gerne wissen, worauf diese Befragung hinausläuft.
Abgelehnt. Fahren Sie fort, Herr Professor.«
    Goltz verzog
das Gesicht zu einer bösartig grinsenden Grimasse. »Hat Kommissar Horlitz eine Inventarliste
anfertigen lassen?«
    »Herrgott,
Sie hüpfen von einem Thema zum nächsten.«
    »Ich wiederhole:
Hat Kommissar Horlitz eine Inventarliste anfertigen lassen?«
    »Natürlich.
Das gehört sich so.«
    »Kam diese
Anordnung, bevor oder nachdem sie das Feuer entfacht haben?«
    »Keine Ahnung.
Doch, danach. Ja, ich glaube, es war danach.«
    »Herr Detlof,
ich werde mich kurz fassen: Die Unterlagen, von denen ich gesprochen habe, waren
in dem kleinen Korb mit dem Holz deponiert. Womit haben Sie das Feuer entfacht?«
    »Mit dem
Papier natürlich. Es lag ja bereit.«
    »Mit welchem
Papier?«
    »Mit dem
Papier im Korb.«
    »Sie haben
also meine Unterlagen verbrannt, wenn ich das richtig verstehe?«
    Görne, dem
der Fall zu entgleiten drohte, wollte dem Mann zu Hilfe eilen. »Einspruch!«, rief
er erregt.
    »Abgelehnt!«,
entgegnete der Richter und fuhr sich angespannt mit der Hand über das Großkreuz
an seiner Brust.
    »Haben Sie
meine Unterlagen verbrannt?«, wiederholte Goltz temperamentvoll. »Ja oder nein?«
    Hilflos
sah der Polizist zum Staatsanwalt hinüber. Selbstgefällig verwarf der Professor
die Arme. »Herr Vorsitzender«, meinte er endlich. »In Anbetracht der Tatsache, dass
Kommissar Horlitz und seine Mannen den Tatort mutwillig verändert und somit eine
Spurensicherung verhindert haben, beantrage ich, die Beweismittel der Anklage für
nichtig zu erklären.«
    Jänert lehnte
sich zurück. Seine Augen blitzten kalt hinter einer herabhängenden Locke seiner
Richterperücke hervor. Er knetete seine Wangen mit den Händen und meinte endlich:
»Das Hohe Gericht behält sich vor, diesen Antrag zu verschieben, bis der Angeklagte
Goltz selbst in den Zeugenstand getreten ist und sich in dieser Angelegenheit hat
befragen lassen.«
    »Herr Vorsitzender,
der Zeuge ist entlassen.«
    Ernst Detlof
stand auf, gleichermaßen verwirrt wie wütend, und überließ Botho Goltz den Platz.
Dessen Stummelbeine reichten kaum bis zum Boden. Durch Kopfnicken bedeutete Jänert
seinem beisitzenden Richter Emil Polte, dass er ihm die Befragung überlasse.
    Polte beugte
sich vor, wie um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen: »Angeklagter Goltz, Sie
behaupten, in dem Holzkorb in Ihrer Wohnung persönliche Habe untergebracht gehabt
zu haben. Welcher Art war diese Habe?«
    »Es waren
Liebesbriefe«, antwortete der Professor. Listig sah er in die Runde, als er nachschob:
»Liebesbriefe von Fräulein Lene Kulm.«

Sechzehntes Kapitel
     
    »Der Kerl ist kalt wie Eis«, polterte
Kommissar Horlitz, als die Verhandlung für die Mittagspause unterbrochen wurde.
»Lügen über Lügen, und wir können sie ihm noch nicht einmal nachweisen. Es war von
Anbeginn an ein Indizienprozess, aber jetzt läuft alles aus dem Ruder.«
    »Gut Ding
will Weile haben«, meinte Bentheim desinteressiert.
    »Ach, lassen
Sie mich mit Ihren Küchenweisheiten in Ruhe. Und überhaupt, was ist eigentlich los
mit Ihnen, Julius? Ich habe Sie beobachtet. Den ganzen Vormittag sind Sie schon
unmotiviert.«
    »Nichts
von Belang.«
    »Machen
Sie mir nichts vor, Bentheim. Die Frauen?«
    Julius nickte.
»Besonders eine.«
    »Das wird
schon wieder.«
    »Wollen
wir es hoffen.«
    Gideon Horlitz
griff in die Tasche und streckte dem Zeichner eine kleine, längliche Holzschachtel
hin. »Sullivan«, erklärte er stolz. »Herrlich! Ein Prachtstück.«
    Missmutig
nahm Bentheim das Geschenk an. Sie zündeten die Zigarren an und pafften wortlos
einige Minuten lang. Der Qualm stieg Julius in die Nase. Unbeirrt sog er am Ende
der gerollten Tabakblätter und überlegte, während die Asche zu Boden rieselte.
    Zusammen
mit dem Kommissar ging er essen. Unterwegs trafen sie Moritz Bissing, der sich zu
ihnen gesellte. Sie betraten ein nahe gelegenes Gasthaus, wo sich die Arbeiterschaft
einfand und wo üppige Küche im Angebot war. Während des Essens diskutierten sie
den Verlauf der Verhandlung. Als es nichts mehr zu bereden gab,

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