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Die dunkle Muse

Die dunkle Muse

Titel: Die dunkle Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Oehri
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bekräftige
im Bewusstsein meiner Verantwortung vor Gericht, dass ich nach bestem Wissen und
Gewissen die reine Wahrheit sage und nichts verschweigen werde.«
    Heseler
übernahm wieder das Kommando. »Seit wann praktizieren Sie als Anwalt, Herr Krohn?«
    »Oh.« Krohn
blinzelte, als staune er, wie rasch die Zeit verfliege. »Seit 42 Jahren.«
    »Sie sind
also ein alter Hase in dem Geschäft, könnte man es salopp ausdrücken.«
    »So könnte
man es ausdrücken, ja.«
    »Wurden
Sie jemals wegen irgendeiner Straftat verurteilt?«
    »Nein.«
    »Keine Beamtenbeleidigung?
Nie in der Öffentlichkeit angeheitert gewesen?«
    »Wo denken
Sie hin!«
    »Sie besitzen
also das«, folgerte Heseler, »was man einen absolut unbescholtenen Leumund nennt.
Ihr Wort hat Gewicht, Ihr Wort ist wahrhaftig, Herr Krohn. Berichten Sie uns bitte
nun von der Tatortbegehung.«
    Krohn war
kein Mann der langen Worte. Kurz und prägnant schilderte er, wie ihn Fabian Heseler
beauftragt hatte, die Dachgeschosswohnung der Mietskaserne zu durchsuchen und alles,
was man vorfinde, zu katalogisieren und notariell beglaubigen zu lassen. »Zusammen
mit zwei Mitarbeitern und Mitgliedern der Gendarmerie durchsuchten wir das genannte
Objekt.«
    »Fanden
Sie etwas, das entweder im Gegensatz zur offiziellen Inventarliste der Polizei steht
oder dort gar nicht auftaucht?«
    »Ja.«
    »Benennen
Sie die Fundstücke.«
    »Im Lichtschacht
fanden wir …«
    »Einspruch!«
    »Abgelehnt!«
    Görne sah
den Richter perplex an. »Aber Sie haben sich meine Begründung noch gar nicht angehört.«
    »Strapazieren
Sie nicht meine Geduld, Herr Ankläger. Mir fällt keine Rechtfertigung ein, weshalb
ein Lichtschacht nicht untersucht werden sollte. Falls Sie argumentieren möchten,
der Schacht biete mehreren Parteien Zugang, so tun dies Fenster und Türen auch.
Es ist nicht auszuschließen, dass Beweisstücke, die für den Verlauf der Verhandlung
von Wichtigkeit sein können, durch Fenster, Türen oder eben auch Lichtschächte expediert
worden sind. Oder fällt Ihnen ein anderes Argument ein?«
    »Nein, Herr
Vorsitzender«, antwortete er kleinlaut.
    Heseler
konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich bitte, das Original der notariell
beglaubigten Inventarliste der Kanzlei Krohn & Partner zur Identifizierung als
Beweisstück Nummer 1 der Verteidigung zu kennzeichnen.« Er reichte dem Protokollführer
eine Kopie. Dieser schaute auf seine Uhr und notierte die angegebene Nummer sowie
die Uhrzeit in seinem Bericht.
    Fabian Heseler
nahm den Faden seiner Rede wieder auf: »Nun, Herr Kollege, was fanden Sie im Lichtschacht?«
    »Wir stießen
vorwiegend auf Abfall – Müll, der von Mietern der verschiedenen Stockwerke im Lichtschacht
entsorgt worden ist.«
    »Also nichts
Ungewöhnliches.«
    »Nein«,
bestätigte Dr. Krohn. »Bis auf drei Dinge: ein altes Kleidungsstück, und zwar eine
Jacke, die an den Ärmeln zusammengeknotet war, sowie ein Wachstuch und Bindenmaterial,
wie es von menstruierenden Frauen verwendet wird.«
    »Gab es
etwas Ungewöhnliches an den zwei erstgenannten Objekten?«
    »Beide waren
von Blut durchtränkt.«
    »Menschenblut?«
    »Einspruch!«
Theodor Görne hatte sich erhoben. »Der Verteidiger hat bereits ausführlich dargelegt,
dass man Menschen- und Tierblut nicht voneinander unterscheiden kann. Was ihm recht
ist, muss ihm auch billig sein. Ich möchte protokollarisch festhalten lassen, dass
das Blut auf besagter Jacke – falls es überhaupt Blut ist – Tierblut sein könnte!«
    »Stattgegeben«,
knurrte Jänert und wies den Protokollführer an, dies zu vermerken. Zum Zeugen gewandt,
meinte er: »Herr Dr. Krohn, ich untersage Ihnen, auf die Frage zu antworten. Herr
Verteidiger, fahren Sie fort.«
    Fabian Heseler
trat an seinen Tisch und ließ sich von Botho Goltz eine verschnürte und mit einer
Bleiplombe versehene Schachtel reichen. »Die Verteidigung unterbreitet dem Gericht
als Beweisstücke Nummer 2 und 3 den Inhalt dieses versiegelten Pakets.«
    Einer der
Beisitzer prüfte die Plombierung und nickte. Heseler entfernte Siegel und Schnur,
nahm den Schachteldeckel ab und präsentierte den Zuschauern eine dunkelbraune Jacke
mit langen Ärmeln. Gebannt starrte Julius Bentheim zum Tisch der Anklage hinüber.
Es machte den Anschein, als wolle Gregor Haldern, der Verlobte des Mordopfers, sich
erheben, doch wurde er von Görne zurückgehalten. Sein Gesicht erbleichte, seine
Mundwinkel zitterten.
    »Diese blutbesudelte
Jacke, Herr Zeuge, wies die noch weitere

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