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Die dunkle Muse

Die dunkle Muse

Titel: Die dunkle Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Oehri
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lebt offensichtlich von der Hand in den Mund. Auffallend
war aber ein Bündel Banknoten auf der Kommodenablage.«
    »Haben Sie
sich die Mühe gemacht, die Reihennummer der Scheine zu notieren?«
    »Selbstverständlich.«
    »Sehr gut.
Das hat die Polizei bei den Scheinen, die bei Herrn Goltz gefunden wurden, nämlich
auch gemacht. Es wäre interessant zu erfahren, ob sich daraus irgendwelche Schlüsse
ziehen ließen. Doch vorerst keine weiteren Fragen, Herr Vorsitzender.«

Neunzehntes Kapitel
     
    Der Abend war hereingebrochen und
mit ihm die Zeit der Umwälzungen. Albrecht Krosick und Amalia Losch gerierten sich
wie geborene Verschwörer. Die Witwe blühte auf. Sie sprach hinter vorgehaltener
Hand, wann immer sie mit dem Fotografen ein paar Worte wechselte, und blickte sich
öfter um, als sie es sonst zu tun pflegte. Wohlige Schauer rieselten ihr den Rücken
hinab, sobald ein unerwarteter Lufthauch sie hochfahren ließ.
    »Halten
Sie sich bereit, junger Herr Bentheim«, ermahnte sie Julius, als er vom Gericht
nach Hause kam. »Heute ist es soweit.«
    »Jetzt schon?«
    »Besser
früh als nie.«
    »Ich dachte,
das gestern war bloß Gerede.«
    Sie legte
ihm die Hand auf den Arm. Eine fürsorgliche Geste, die ihn fast zu Tränen rührte.
»Der Pastor liest die Spätmesse. Gegen 21 Uhr verlässt er das Haus.«
    »Was kann
ich tun?«, fragte er erregt.
    »Warten«,
beschied ihn die Alte.
    »Ja, tu
das«, meinte Albrecht. »Ich werde mich jetzt um die Kutschen kümmern. Bis dann.«
    Julius betrat
sein Zimmer, packte einige Kleidungsstücke in einen Wäschebeutel und sortierte seine
persönliche Habe. Falls ihr Vorhaben gelänge, würde er seinem Zimmer für lange Zeit
Lebewohl sagen müssen. Der Weg zur Arbeit und besonders der Heimweg würden sich
zum Spießrutenlauf entwickeln, bei dem es galt, bezahlten Häschern auszuweichen
und Spione des Pastors abzuhängen. Niemand dürfte erfahren, wo sich seine neue Unterkunft
befände. Er packte ein paar Bücher ein, legte seine Zeichenmappe bereit und warf
einen Blick auf die gerollten Aktbilder, die er für Bis­sing angefertigt hatte.
    Der Bote
ist immer noch nicht aufgetaucht, dachte Julius verbittert. Entschlossen stellte
er die Bilder für den Kommissar vor Krosicks Zimmer ab. Alles andere, was ihm wichtig
war, trug er hinab und deponierte es im Vestibül. Aus der Küche schwappten Wortfetzen
zu ihm her, Gelächter, angeregte Ausrufe. Er betrat den Raum und sah die Witwe,
die wie ein junger Backfisch kreischte. Kein Zweifel, die Anspannung machte sie
um Jahrzehnte jünger. Zu Bentheims Erstaunen saß Amalia Losch gegenüber eine hübsche
junge Dame. Ihr nussbraunes Haar fiel lang und glatt auf die Schultern, und als
sie ihm ihr Gesicht zuwandte, erschrak der Tatortzeichner.
    »Adele!«
    »Guten Abend,
Herr Bentheim.« Sie stand auf, wobei sie in einer galanten Drehung die Haare nach
hinten wirbeln ließ, und reichte ihm die Hand. »Wir haben uns ja seit Monaten nicht
mehr gesehen.«
    »Ja, es
ist schon lange her«, flunkerte er, als er sich gefangen hatte. Er würde das Spiel
mitspielen, daran sollte es nicht scheitern.
    »Sie kennen
sich?«
    Das Modell
und der Zeichner blickten die Witwe an.
    »Flüchtig«,
bemerkte Julius.
    »Fräulein
Bredow hat mir soeben erklärt«, plapperte Amalia, »wie man ein verwundetes Gesicht
vortäuschen kann.«
    »Das Fräulein
Adele besitzt demnach einen Familiennamen, sieh an.«
    Verschämt
senkte das Aktmodell den Blick.
    »Ja, natürlich«,
erklärte Amalia unbeirrt. »Fräulein Bredow hat mir gezeigt, wozu rote Trauben alles
nütze sind.«
    Sie hielt
eine Weinrebe hoch und erklärte ausführlich den Plan, den Albrecht und sie geschmiedet
hatten. Bentheim stellte Fragen, sicherte sich ab, ob er alles verstanden hatte,
und erfuhr, dass sein Freund Adele als Lockvogel eingeplant hatte. Als er sich nach
ihm erkundigte, hieß es, der Fotograf besorge die Kutschen.
    »Wie werden
Sie vorgehen?«
    »Ich werde
einen Unfall vortäuschen«, begann Amalia erregt. »Abgebissene Zunge oder etwas in
der Art.«
    »Deshalb
die Trauben«, bemerkte der junge Zeichner.
    Die Witwe
nickte erfreut, was Bentheim zu einem traurigen Lächeln veranlasste. Von Albrecht
wusste er, dass sich viele Prostituierte mit Tierblut gefüllte Weintrauben einführten,
um den Freiern immer wieder aufs Neue das Vorhandensein eines intakten Jungfernhäutchens
vorzugaukeln.
    »Fräulein
Bredow, die ja wahrlich eine Augenweide ist, obliegt es, Filines Bewacher aus dem
Haus zu

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