Die dunkle Prophezeiung des Pan
ehrlich.
»Aber
angeblich war sie unglaublich schön und klug und sorgte sehr gut
für die ihren. Ihr habt heute nicht einmal gemurrt und meine
Tochter liebt Euch. Und Euer Auftauchen war genauso überraschend
wie das der Fee. Also: Fee Melusine.«
Ich
hatte nur noch mit halbem Ohr zugehört, denn ein paar Meter vor
uns ging Jeanne de la Motte. Sie lachte mit den drei Frauen, die sie
begleitete. Doch man merkte, dass sie nicht wirklich dazugehörte.
Mir war heute aufgefallen, dass Jeanne immer die Botendienste
übernehmen musste, ein paar Hänseleien einsteckte und ihr
Mund sich verkniff, sobald sie sich unbeobachtet fühlte.
»Majestät,
wie gut kennt Ihr Madame de la Motte?«, unterbrach ich den
Redeschwall der Königin, über Hexen, Zauberer und
Einhörner.
Sie
riss ihre blauen Augen überrascht auf. »Wieso? Sie ist
seit geraumer Zeit bei Hofe.«
Ich
überlegte, wie ich ihr am schonendsten beibringen konnte, dass
die gute Jeanne eine hinterlistige Kuh war und dafür sogar über
die Leiche der Königin gehen würde.
»Ihr
wisst etwas?«, hakte Marie Antoinette nach, jetzt wieder ganz
im königlichen Tonfall.
»Madame
de la Motte hat sich neulich mit Kardinal de Rohan getroffen«,
sagte ich nach kurzem Zögern.
Die
Königin kniff die Augen zusammen und sah zu Jeanne. »Mit
Rohan?« Es war eher eine rhetorische Frage.
»Habt
Ihr ein Halsband in Auftrag gegeben?«, fragte ich leise. Ich
konnte direkt erkennen, dass sie genau wusste wovon ich sprach.
»Nein.
Ich habe es abgelehnt. Mein Volk hungert. Da kaufe ich kein Halsband
im Wert von beinahe zwei Millionen Livres. Ich mag Luxus, aber ich
bin nicht gierig.«
»Haltet
das schriftlich fest«, riet ich ihr leise.
Sie
sah mich wieder an, erst erstaunt und dann mit einem wissenden Blick.
»Gut. Ich werde sofort meinen Sekretär beauftragen, an die
beiden Juweliere zu schreiben und ihnen meine endgültige Absage
übermitteln.«
Ich
atmete erleichtert aus.
»Was
hat Jeanne mit diesem Halsband zu schaffen?«
»Sie
braucht Geld. Und über Euch und Rohan glaubt sie an welches zu
kommen.« Mehr musste sie nicht wissen.
Marie
Antoinette sah bestürzt aus. »Wieso braucht sie Geld?«
»Das
Leben bei Hofe ist teuer«, erklärte ich achselzuckend.
»Das
ist wohl wahr«, stimmte sie seufzend zu. »Ich danke Euch.
Seht Ihr? Der Name Melusine passt zu Euch. Ihr bringt mir Glück.«
Ich
lächelte gequält.
Unser
Ausflug zum Weiler der Königin war fünf Tage her, und
seitdem hatte es jeden Tag in Strömen geregnet. Dadurch hatte
ich keine Gelegenheit mehr gehabt, das Spiegelbecken erneut
aufzusuchen, um mich von meiner Vision zu überzeugen. Als am
sechsten Tag die Wolkendecke aufbrach und die Sonne durchdrang,
schlug Madame de Tourzel einen weiteren Spaziergang in den Park vor
und ich stimmte ihr erleichtert zu. Auch wenn es ganz empfindlich
abgekühlt hatte und morgens die Hecken und Wiesen weiß von
Raureif waren.
Wir
packten alle warm ein und zogen los. Das Spiegelbecken lag wie üblich
ruhig und klar in der Nachmittagssonne. Ich spielte mit dem kleinen
Prinzen und seinen Kumpanen Fangen, flocht Madame Royal, der
Prinzessin in ihren albernen Rüschenkleidern, einen Blumenkranz,
und als alle wieder irgendwie beschäftigt waren, schlich ich
mich ans Bassin, um einen weiteren Blick in diesen seltsamen
»Spiegel« zu werfen.
Ich
konnte die vorbeiziehenden Wolken darin sehen und die Sonne blendete
ein wenig. Als sie kurz hinter einer Wolke verschwand, erkannte ich
erneut die Felsen statt der faulen Blätter. Der Boden war mit
weißen Steinen übersät. An einer Ecke dampfte es.
Bewegte sich dort ein Schatten? Ich beugte mich tiefer, um besser
sehen zu können.
Von
hinten spürte ich ein paar kleine Hände auf meinem Po. Ich
rang einen Augenblick, dann verlor ich das Gleichgewicht und fiel
kopfüber in das Becken.
Wie
in einer Wiederholung rannten alle ganz aufgeregt zu mir, halfen mir
aus dem Wasser und bugsierten mich umgehend zum Schloss zurück.
Die Lautstärke hatte noch um einige Dezibel zugenommen. Wieder
wurde ich hinter die spanische Wand geschoben, wieder schwirrten
Madame de Tourzel und deren Zofe um mich herum und vorn ging das
Gekreische der Kinder weiter. Die Jungen, die mich geschubst hatten,
wurden ausgeschimpft und bekamen den Nachttisch verboten. Damit
begann ein sirenenhaftes Geheule. Am liebsten hätte ich einmal
laut gepfiffen, um für Ruhe zu sorgen. Aber das ging nicht.
Meine Finger waren so kalt, ich bekam sie kaum
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