Die dunkle Prophezeiung des Pan
betitelt
worden. Aber doch. Irgendetwas bewegte sich dort.
»Miss
Morgan, Sie können sich umkleiden. Wir schließen«,
rief mein Chef, Mr Biglow, von der Tür her. Erschrocken drehte
ich mich um. Er lächelte. »Sie war eine ganz
außergewöhnliche Dame, nicht wahr? Die beste
Schauspielerin zu ihrer Zeit. Das Bild wird ihr mit Sicherheit
gerecht. Eine wahre Schönheit.« Mr Biglow eilte weiter.
Ich
starrte noch einmal auf das Gemälde. Nein, ich hatte mich nicht
getäuscht. Rechts neben dem Kopf bewegte sich ihr Schatten.
Ich
befolgte Mr Biglows Rat und eilte zu den Umkleideräumen.
Mrs
Siddons und ihr ominöser Schatten waren schon am nächsten
Tag komplett vergessen. Genau wie ich geahnt hatte war mit Ciaran
nicht gut Kirschen essen.
Die
Geschichtsstunde war für uns alle ein Albtraum gewesen. Nachdem
Ciaran mit uns einen überraschenden Test geschrieben und dann
noch zwei Schüler mündlich abgefragt und sie in Grund und
Boden gestampft hatte, beschlossen wir einvernehmlich, keine Spiele
mehr in Mr Duncans Unterricht zu veranstalten. Es gab ja immer noch
Miss Ehle.
Das
Nachsitzen war auch kein Spaß. Ciaran ließ mich
tatsächlich »Abschreiben«. Nicht nur an diesem
Nachmittag, sondern auch an jedem weiteren in dieser Woche. Ich
durfte nur eine Ausnahme machen, weil ich Dienst im Museum hatte.
Mein Handgelenk war ziemlich überanstrengt. Nach zehn Tagen
hatte ich nicht nur die Halsbandaffäre bis ins kleinste Detail
studiert, sondern auch die Revolution, die Napoleonische Herrschaft,
die Februarrevolution – kurz gesagt, die gesamte französische
Geschichte angefangen von Ludwig XVI. bis zum ersten Weltkrieg.
Minutiös.
Dafür
war der Kinoabend am Samstag wieder so locker entspannt und lustig
wie vL. Nicole hatte es so genannt: vL für vor Lee oder nL für
nach Lee.
Genau
das war der Punkt. Es gab Lee. Er fehlte. Trotz allem. Und wieder war
eine Woche ins Land gegangen, ohne dass ich von ihm gehört
hatte.
Das
brachte mich auf eine Idee.
Am
Sonntag, nachdem Mum bereits um elf im Pub verschwunden war, ging ich
in den Hyde Park. Es nieselte leicht und ich war mir nicht sicher, ob
mein Experiment funktionieren würde. Am Serpentine Lake war es
beinahe unmöglich dicht genug ans Wasser zu kommen. Überall
gab es entweder einen Zaun oder zu viel Gestrüpp oder beides.
Ich
wanderte das Ufer entlang bis zu den Bassins im italienischen Garten.
Aber dort waren zu viele Menschen unterwegs – trotz des Regens,
der sich mittlerweile wieder verstärkte.
Ich
zog mir die Kapuze über den Kopf und stiefelte zu dem Runden
Teich in Richtung Kensington Garden. Wenn dort ebenfalls alles
besucht wäre, würde ich wieder nach Hause gehen.
Natürlich
war ich auch dort nicht allein. Ich seufzte und drehte mich um. Mein
Blick fiel auf die Schlossgärten. Da gab es noch einen Teich.
Hinter Hecken.
Der
Regen hatte noch mehr zugenommen. Meine Hosenbeine waren bereits
unangenehm nass. Ich kniete mich an das Teichbecken und starrte ins
Wasser. Die Regentropfen prasselten nun heftig auf die Oberfläche
und machten es schwierig auf den Grund zu sehen. Ich machte ein paar
vereinzelte Blätter am Boden aus, kleine Risse in der Struktur
des Betons. Aber alles sehr unscharf. Dann verschwamm es und das
Blatt direkt neben meiner Hand verwischte. Wieder war Fels zu sehen.
Weiße Steine auf dem Boden. Aber leider so unscharf, wie Schnee
auf dem Fernsehbildschirm.
Einmal
glaubte ich Lee zu entdecken. Aber dann fiel der Regen so heftig und
es mischten sich sogar ein paar Schneeflocken hinein. Für Mitte
Februar kein ungewöhnliches Wetter, aber momentan extrem
frustrierend. Mir wurde bitterkalt.
So
sehr ich mich auch anstrengte, das Bild wollte nicht wieder
auftauchen. Als meine Hand drohte vor Kälte abzurutschen, gab
ich auf. Betrübt ging ich heim.
Etwas
Warmes wäre jetzt gut. Eine heiße Schokolade oder ein
Muffin, frisch aus dem Ofen. Stattdessen ließ ich mir ein Bad
ein. Während das Wasser in die Wanne lief, kochte ich mir eine
Kanne Tee.
»Hallo!
Jemand zu Hause?«
Die
Stimme kam aus dem Bad. Erschrocken ließ ich die Tasse fallen,
bewaffnete mich mit dem nächstbesten Küchenmesser und ging
ins Badezimmer. Mildred stand am Waschbecken und begutachtete meine
spärlichen Make-Up-Artikel im Spiegelschrank.
»Mildred!
Wie kommst du hierher?«
»Durch
die Badewanne, Dummchen. Ich soll dir schöne Grüße
von Ciaran ausrichten, er kann am Montag nicht. Erst am Mittwoch ist
er wieder in London.« Sie klappte die Spiegeltür
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