Die dunkle Prophezeiung des Pan
Philip sah mich bang an. » Du hast genug getan. Vielen Dank nochmal. Ich werde jetzt diesen Händler
aufsuchen und beten, dass die Fibel noch in seinem Besitz ist.«
Ich stopfte den Zettel in meine Hosentasche.
»City,
warte, ich komme mit.« Philip hielt mich am Oberarm fest.
Ich
blieb stehen und starrte auf seine Hand. Zögernd ließ er
los.
»Kannst
du einen Moment warten? Ich ziehe mir was Anständiges an.«
»Ich
warte unten. Hier in diesem Saustall halt ich es keine Sekunde länger
aus.«
Philip
hechtete aus der Tür. »Oh. Okay. Du hast was gut bei mir.«
»Das
nehm ich direkt in Anspruch: Nenn mich nie wieder City«,
erklärte ich hochnäsig und wollte endlich die Wohnung
verlassen. Doch als ich an Suzie vorbeikam, sah sie mich finster an.
»Bist
du etwa Philips Freundin?«, fragte ausgerechnet das Mädchen,
das ich nackt in seinem Bett erwischt hatte.
»Ich
bin seine Schwester.«
Sie
riss überrascht ihre Augen auf. »Aber er hat mir erzählt,
die … nicht so wichtig. Kennst du seine Freundin?«
»Nein.
Ich wusste nicht mal, dass er eine hat.«
»Oh.«
Sie wirkte enttäuscht. »Wenn du‘s rausfindest,
kannst du mir dann Bescheid geben?«
»Willst
du mir jetzt deine Handynummer geben, oder was?«, fragte ich
irritiert.
»Nein«,
antwortete sie in einem Tonfall, der besagte, dass sie mich für
total plemplem hielt. »Ich geb dir die von Martin.«
»Lass
mal. Die hab ich«, wehrte ich ab und verließ
kopfschüttelnd die miefige Bude. Ich verstand nicht, wie mein
Bruder unter diesen Umständen leben konnte.
Philip
brauchte zum Glück nur zehn Minuten. In einem muffelnden Shirt,
zerrissenen Jeans und den kaputtesten Chucks, die ich je gesehen
hatte, tauchte er breit grinsend auf. »Hier. Die soll ich dir
geben.« Er hielt mir einen weiteren Abschnitt Küchenrolle
hin. Darauf war eine Nummer gekritzelt.
»Was
soll ich damit?«
»Martin
hat gesagt, du wolltest sie.«
Ich
warf den Abschnitt in den nächsten Mülleimer.
»Mensch,
City, was ist mit dir los? Du bist so … streng. Das gefällt
mir.«
»Weißt
du, ich wäre froh, du würdest nicht mit mir reden, bis wir
in Notting Hill sind.«
Als
ob er sich daran halten würde. Auf der Fahrt mit der Tube musste
ich mir ständig anhören, wie enttäuscht Carl von mir
war, wie sehr er getrauert habe, dass Carl noch nie einem Mädchen
nachgelaufen sei. Carl, Carl, Carl.
»Machst
du eigentlich immer alles, was Carl sagt? Ich wusste gar nicht, dass
du ihm so hörig bist.«
»Ich
bin ihm nicht hörig. Er ist mein bester Kumpel. Ist doch
verständlich, wenn ich versuche ihm unter die Arme zu greifen.«
Philip war regelrecht entrüstet.
»Indem
du deine pummelige, langweilige Schwester an ihn verkuppelst?«
Er
grinste, keineswegs beschämt. »Ehrlich gesagt, du bist gar
nicht mehr pummelig. Und nach der Show heute Morgen auch nicht mehr
langweilig. Wann hast du dich zu einer so scharfen Braut entwickelt?
Du stichst sogar Anna aus.«
»Sag
ihr das bloß nicht«, murmelte ich.
»Hier
sind wir.«
Philip
führte mich in einen der zahlreichen kleinen Läden. An
jedem normalen Wochentag war Notting Hill ein ruhiges Fleckchen, nur
samstags befand man sich hier in einem Menschenauflauf. Der Laden
hatte Silberwaren, Antikschmuck, Puppen und sonstigen Schnickschnack
im Angebot, den Touristin bequem im Reisegepäck verstauen
konnten. Ein kleines Glöckchen bimmelte, als wir die Tür
öffneten, und beinahe sofort trat ein älterer, beleibter
Herr hinter einer Theke hervor. Er hatte so kleine, runde Augen, man
konnte keine Farbe der Iris erkennen. In diesem Schummerlicht wirkten
sie nur schwarz.
Sein
beflissenes Lächeln wurde für eine Sekunde verunsichert,
als er Philip erkannte. »Guten Morgen, der Herr, die Dame. Wie
kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Hast
du gehört, City? Er hat mich als Herrn bezeichnet.« Philip
gluckste vergnügt.
Ich
versuchte meine beste Geschäftsmiene aufzusetzen. »Mein
Bruder hat Ihnen vor kurzem eine Fibel verkauft. Besitzen Sie die
noch?«
Die
Äuglein des Händlers verengten sich zu Schlitzen. »Möchten
Sie sie etwa zurückkaufen? Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass
ich für diese Fibel bereits einige Interessenten habe.«
»Aber
Sie sind noch im Besitz?«, hakte ich nach.
»Ich
denke, Lord Cavendish wird sie erwerben. Er ist nur noch am Schwanken
zwischen dieser Fibel und der Krone eines Sachsenkönigs.«
Arrogant setzte er hinzu: »Der Preis ist dadurch auf
zehntausend Pfund gestiegen.«
Ich
versuchte keinen Muskel
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