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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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weiterhin alleine – erfuhr Rodraeg von Cilf Daubs, was das
metallische Hämmern in der Nacht zu bedeuten hatte.
    Die dunkle Quelle war
instabil.
    Regelmäßig nachts, wie
den Gezeiten unterworfen, stieg das Schwarzwachs wie eine Flut und drohte, als
flammendheiße Fontäne die gesamte Höhle zu versengen. Gelehrte aus Aldava, die
diese Quelle während ihrer Freilegung untersucht hatten, hatten mehr durch
Zufall als durch ausgeklügeltes Vorgehen herausgefunden, daß man die Wachsflut
»besänftigen« konnte, indem man auf einen über der Quelle hängenden Tropfstein
so lange mit einem Vorschlaghammer einschlug, bis Steinstaub und Kalk in die
Quelle rieselten. Wenn das nicht ausreichte, konnte man zusätzlich Kalk in die
Quellgrube werfen, aber nur zwei oder drei gehäufte Löffel, damit das Wachs
nicht zu sehr durchmischt und somit beim Abkühlen spröde und nutzlos wurde.
    Rodraeg hörte aufmerksam
zu. Mit einer großen Menge Kalk konnte man wahrscheinlich die gesamte Quelle
verschmutzen und die Förderarbeiten sinnlos machen. Das war genau die
Information, die er gebraucht hätte, um einen gut vorbereiteten Schlag gegen
diese Bohrstelle zu führen. Aber nun nutzte ihm dieses Wissen nichts mehr. Auf
die Frage: »Ist es dann nicht fahrlässig, Kalk in der Höhle herumliegen zu
lassen?« bekam er zur Antwort: »Stimmt. Deshalb findet sich in der Höhle immer
nur ein Schälchen voll Kalk. Der Rest wird draußen gelagert.« Genaueres bekam
er nicht heraus.
    Aber es war auch
interessant zu erfahren, daß das Schwarzwachs jede Nacht aufs Neue gebändigt
werden mußte. »Wie ein wildes Tier«, tuschelten die Arbeiter. Ein Lebewesen mit
einem eigenen Willen. War es natürlich, weil es aus der Erde kam, oder
übernatürlich, weil es dunkel war und dennoch heiß, weil es Kopf- und
Magenschmerzen verursachte, wenn man zuviel von seiner Aura einatmete? Fest
stand, daß sich die Bohrstelle veränderte. Am Anfang war da nur ein Schacht
gewesen, lediglich eine Handspanne im Durchmesser, aus dem das Wachs mit
becherartigen Gefäßen aus versteinertem Holz geschöpft wurde. Doch im Laufe der
Wochen hatte das Wachs an den Schachtwänden gerüttelt, gebissen und gerissen,
bis Stein splitterte und abschmolz. Inzwischen war aus dem Schacht eine
blakende Grube geworden, zwei Schritte breit und von allen Arbeitern außer den
drei Förderern weiträumig umgangen. Noch drei Monde, schätzte Daubs, dann würde
in der Haupthöhle kein Platz mehr sein für Arbeiter. Noch sechs Monde, und der
gesamte Talkessel würde zum schwarz schwelenden Giftloch geworden sein, dem
kein Arbeiter sich mehr nähern konnte, ohne Leib und Leben zu riskieren. Das
also hatte Deterio gemeint, als er sagte, in einem halben Jahr würde die Arbeit
hier eingestellt werden. Unweit des Laironsees würde ein zweiter See entstehen,
dunkel und brodelnd und alles Leben in seiner Umgebung mit seinem Pesthauch
verzehrend.
    Rodraeg war sich
sicherer denn je, daß irgend jemand etwas unternehmen mußte. Der Kreis. Die
Bewohner Terreks, die aus Geldgier fahrlässig den Wald, die Bäche und den See
gefährdeten. Die Untergrundmenschen. Die Schmetterlingsmenschen. Die Königin,
falls sie ihren Kontinent liebte. Die Bäume, die Vögel, Wasser und Wind. Die
Götter. Das Mammut.
    Aber das Mammut war
geschlagen und gebunden. Es röchelte bleich in Bestars unruhigem Schlaf. Es
knirschte ziellos und blind mit Migals Zähnen. Es zitterte und schwitzte und
litt quälende Furcht mit Hellas, der, eingepfercht zwischen Felsen und Glut, an
einem eigenen Fieber litt. Er, der die Entfernung liebte, konnte so viel Nähe
nicht ertragen.
    Hellas war auch der
erste, den Deterio zum Verhör lud, am dritten Tag ihrer Fron. In der Blockhütte
bauten sich Deterio, Tugri und Kruhn Sessiu vor dem Bogenschützen auf und
beschossen ihn abwechselnd mit Fragen, aber Hellas war dermaßen froh darüber,
den beengenden Höhlenwänden wenigstens für kurze Zeit entkommen zu sein, daß er
weit davon entfernt war, Schwäche zu zeigen.
    Auf die Frage nach
seinem Namen antwortete er: »Ich bin der Bogenschütze. Alle nennen mich so.«
    Auf die Frage nach den
Namen der anderen antwortete er: »Die beiden Großen sind die Klippenwälder. Den
Älteren nennen sie ›Väterchen‹.«
    Auf die Frage, wie
lange er die drei schon

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