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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sie blickten auf Kuellen zurück, das immer mehr zusammenrückte
und schrumpfte, bis es schließlich hinter einigen Bäumen ganz außer Sicht
glitt. Die Straße nach Somnicke führte durch südliche Ausläufer des Larnwaldes
und wurde bald düster und schmal.
    Naenn blühte hier auf.
Ihr schmales, bleiches Antlitz bekam einen Anflug von Farbe. Rodraeg genoß die
klare nachwinterliche Luft und legte beim Gehen seine Hand auf den Säbelknauf,
fast wie damals, mit Baladesar, als freier und tatendurstiger Abenteurer.
Nachdem sie nicht ganz zwei Stunden unterwegs gewesen waren, begann es zu
regnen. Nur kleine Tropfen zwar, aber unermüdlich genug, um alles langsam
aufzuweichen. Naenn schlug einfach die Kapuze ihres Mantels über und
marschierte munter weiter. Rodraeg zog die Schultern hoch und den Kopf ein und
versuchte, beim Gehen möglichst ganz in seiner Jacke zu verschwinden, was so
komisch aussah, daß Naenn wieder lachen mußte.
    Â»Ich freue mich, daß
Ihr so guter Laune seid«, brummte Rodraeg, dem das Wasser aus den Haaren übers
Gesicht rann.
    Â»So bin ich sonst
nicht«, entschuldigte sie sich. »Das liegt an Euch. Daß Ihr mitkommt und wir
uns unserer Aufgabe nähern, das erfüllt mich mit … Zufriedenheit.«
    Rodraeg wußte darauf
nichts zu antworten, was nicht plump geklungen hätte. Daß er ihr Lachen schön
fand, hätte er sagen können. Oder daß auch er das Gefühl hatte, ausgesprochen
gerne mit ihr hier draußen im Larnwald zusammenzusein, von dem Wetter einmal abgesehen.
Aber alles, was ihm in den Sinn kam, war plump, und so sagte er lieber nichts
und brachte sie statt dessen mit Regengrimassen weiter zum Lachen.
    Der Regen wurde jedoch
stärker, und die beiden beschlossen, unter ein besonders dichtes Baumdach am Wegesrand
zu schlüpfen und dort auf den Händler zu warten. Naenn bot Brot an, das sie in
Kuellen frisch gekauft hatte, aber Rodraeg hatte noch keinen Hunger. Das Wasser
prasselte gleichmäßig von den umstehenden Baumriesen. Das graue Licht dieses
wolkenverhangenen Tages verlor sich im Geäst, reichte unter den Baumkronen kaum
weiter als dreißig Schritt. Rodraeg fiel der Werwolf wieder ein, von dem der
Waldläufer berichtet hatte, und die Flechtenwölfe, die unruhig waren und auf
der Flucht.
    Endlich tauchte auf dem
Weg der Zweispänner von Hinnis auf. Sie erhoben sich, klopften sich die
Baumnadeln von den Hosen und gingen ihm entgegen.
    Â»Sieht so aus, als
komme ich gerade rechtzeitig«, lachte der Händler. »Schlüpft unter die Plane,
bevor ihr noch davonschwimmt.« Hinnis hatte keinen Planwagen, sondern einen
flachen Kastenaufbau, aber über seiner Lieferung aus tönernen Topfschalen und
Trinkkrügen hatte er ein Wachstuch gespannt, das Rodraeg und Naenn an einer
Stelle losknoteten. Sie krochen darunter wie unter ein niedriges Zelt. Auch
Hinnis – ein fünfzigjähriger Schlaks mit dichten graublonden Haaren – war
bereits mit Regenmantel und Regenhut angetan, und so trotteten sie weiter.
    Â»Jetzt kann ich meine
Pferdchen endlich etwas schonen. Habe schon befürchtet, euch gar nicht mehr
einzuholen, und bin doch verdammt ungern allein im Larn unterwegs.«
    Â»Wir hätten doch auf
jeden Fall gewartet«, sagte Rodraeg. »Hast du schon Schwierigkeiten gehabt im
Larn?«
    Â»Ich nicht,
glücklicherweise. Aber der Schinkenhändler Plooga aus Somnicke ist hier
verschollen, vor wenigen Wochen.«
    Â»Ich habe davon gehört.
Aber wir haben das nicht untersucht, das ist von Somnicke aus gemacht worden.«
    Â»Hmm. Haben seinen zertrümmerten
Wagen gefunden. Kein Schinken mehr. Kein Plooga.«
    Â»Ein Wurmdrache,
wahrscheinlich«, raunte Naenn Rodraeg zu. »Der Geruch von stark gesalzenem
Fleisch. Muß aber ein sehr großer, alter gewesen sein, daß er sich an einen
Wagen rantraut.«
    Â»Hoffen wir mal, daß
Hinnis nicht salzig genug riecht.«
    Â»Keine Sorge.«
    Keine
Sorge war leicht
gesagt. Rodraeg war alles andere als entspannt. Das lag vor allem an Naenn.
Hier, unter dieser Plane, kam er sich ihr geradezu unschicklich nahe vor. Ihr
einzigartiger Wildrosenduft kribbelte in seiner Nase, seinem Kopf und seinem
Bauch. Sie hatten beide Jacke und Mantel abgelegt und saßen so nahe
nebeneinander, daß ihre Beine sich fast berührten. Über ihnen das stetige
Prasseln von Wasser und die sich ständig bewegenden

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