Die dunkle Schwester
Wind und Regen auszusperren. »Nennt eure Namen und die Geschäfte, die euch nach Caer Liel führen, und wenn ihr gute, ehrliche Leute seid, sollt ihr uns willkommen sein.« Er deutete auf einen Steinkamin, in dem rosige Flammen tanzten. »Wärmt euch hier«, sagte er, »und erzählt mir eure Geschicht e – Essen und Trinken lasse ich euch unterdessen bringen.«
Ein Soldat brachte Brot, Käse und einen Krug Wasser, dann setzten sie sich ans Feuer, und Edric tischte auch dem Hauptmann seine erfundene Geschichte auf. Dieser hörte zu, ohne eine Miene zu verziehen, als Edric erzählte, wie ihr Wagenrad auf dem steinigen Weg gebrochen war und die Pferde durchgegangen waren. Anfangs fürchtete Tania noch, erkannt zu werden, doch der Hauptmann schien keinerlei Verdacht zu schöpfen, nicht einmal, als er sie aufforderte, ihre Mäntel abzulegen und sich am Feuer zu trocknen. Mit ihren nassen Haaren und der einfachen Bauernkleidung sahen sie vermutlich nicht sehr prinzessinnenhaft aus, und es war sehr lange her, seit Edric das letzte Mal in Gabriel Drakes Auftrag hier gewesen war.
»Und wohin wollt ihr jetzt?«, erkundigte sich der Hauptmann.
»Wir haben entfernte Verwandte in einem Dorf namens Lud«, antwortete Edric. »Vielleicht finden wir dort Unterschlupf.«
»Gut«, sagte der Hauptmann und nickte. »Heute Nacht könnt ihr hierbleiben. Ich werde sehen, ob ich euch morgen Früh Pferde für die Weiterreise bereitstellen kann. Wenn nicht, müsst ihr auf einen Fuhrmann warten, der nach Norden unterwegs und bereit ist, euch mitzunehmen.« Er brüllte einen Befehl und sofort erschien ein Soldat in der Tür. »Bringe diese Leute in den oberen Räumen des Torhauses unter«, befahl er und zu Edric gewandt fügte er hinzu: »Dort seid ihr vor Wind und Regen geschützt und für eure Bedürfnisse ist gesorgt.«
»Vielen Dank, Sir!«, sagte Tania leise. »Das ist sehr freundlich.«
Der Hauptmann verneigte sich tief. »Nein, Mädchen, das ist ein Gebot der Gastfreundschaft. In so einer Nacht würde ich keinen Hund vor die Tür jagen. Kein Feind hat je diese Mauern erstürmt, und ich wette mit euch, dass die alten Steine hier sogar den Hexenkönig höchstpersönlich aufhalten würden.«
Der Soldat führte sie im Schein einer Kerze über eine schmale Turmtreppe zu einer Reihe von kleinen kahlen Zellen hinauf, die jeweils nur mit einer armseligen Pritsche ausgestattet waren. Tania sagte Edric und Cordelia Gute Nacht, als jeder von ihnen in eine der Zellen entlang des Gangs geführt wurde. Im ersten Moment erschien es ihr verdächtig, dass sie getrennt wurden, doch dann erinnerte sie sich an die Wärme und Herzlichkeit, die der Hauptmann ihnen erwiesen hatte. Es gab keinen Grund, allen Leuten im Herzogtum Weir zu misstrauen, nur weil Gabriel Drake von hier stammte. Edric war schließlich ebenfalls hier aufgewachsen. Es musste ein seltsames Gefühl für ihn sein, verkleidet und als Verfolgter an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren.
Sobald Tania die Tür hinter sich geschlossen hatte, streifte sie ihre Überkleider ab und schlüpfte unter die Decke, die auf der schmalen Pritsche lag. Es war überraschend bequem, und bald wurde sie so schläfrig, dass ihr fast die Augen zufielen. Direkt über ihr war ein hohes schmales Fenster in die dicke Steinmauer eingelassen. Der Regen strömte an den Scheiben herunter, und dahinter war alles pechschwarz, aber sie hörte den Sturm, der immer noch hoch oben in den Bergen wütete. Schließlich blies sie ihre Kerze aus und rollte sich zum Schlafen ein.
Das Letzte, was sie vor sich sah, ehe sie einschlief, waren Gabriel Drakes silbrige Augen, die in die Dunkelheit spähten. Auf einmal erstarrte sein ruheloser Blick und blieb auf Tania gerichtet. Spöttisches Gelächter drang an ihr Ohr.
Tania stand am Fenster. Der Regen lief immer noch an den Scheiben herunter, und sie beugte sich weit über den Steinsims, um auf den Weg zu blicken, der sich in die Berge hinaufwand. Ein Trupp Soldaten mit roten Fackeln stand auf dem oberen Wegstück Spalier und eine verhüllte Gestalt mit einer weiten Kapuze ritt zwischen ihnen die Steigung hinauf. Der Reiter hielt sein Pferd an der Stelle an, wo der Pfad in den Torweg mündete.
Der Hauptmann der Wache trat zwischen den Mauern hervor. »Seid gegrüßt, Mylord!«, rief er. »Willkommen zu Hause.«
»Es ist schön, wieder hier zu sein, selbst in einer Nacht wie dieser«, erwiderte der Reiter, und seine Stimme jagte Tania kalte Schauer über den Rücken.
Dann
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