Die dunkle Schwester
Bettrand gesetzt. »Weit gefehlt, Mylady«, antwortete er. »Ich bin wohl der Einzige, der sich ein solches Zuhause erwählt hat. Ich suche keine Gesellschaft und habe hier alles, was ich brauche. Die Einhörner schützen mich vor unerwünschten Besuchern, und die Vögel halten mich über alles auf dem Laufenden, was in der Welt geschieht.« Er runzelte die Stirn. »Auf diese Weise habe ich auch erfahren, dass der Hexenkönig befreit wurde. Ein Brachvogel brachte mir vor ein paar Tagen die Nachrich t – er sagte, der Zauberer hinterlasse nichts als Verwüstung, wo immer er sich zeige, und alles Leben ersterbe bei der Berührung mit ihm.« Eine tiefe Traurigkeit trat in Bryns Augen. »Ist das denn wahr? Besitzt er wirklich so viel Macht über das Land?«
»Oh ja, und ob!«, rief Tania. »Aber wir werden etwas dagegen unternehmen.« Es klang zuversichtlicher, als ihr selbst zumute war.
»Bis zur nördlichsten Küste von Fidach Ren sind es noch siebzig Meilen«, sagte Bryn. »Ihr werdet schnelle Reittiere brauchen.«
»Gibt es hier irgendwo Pferde, die wir reiten könnten?«, fragte Edric.
»Nein, nicht südlich der beiden Erls. Aber Pferde hatte ich nicht im Sinn. Die Einhörner von Caer Liel laufen schneller als jedes Pferd.«
Tanias Herz klopfte. »Und sie würden uns auf ihren Rücken lassen?«
»Ja, ich glaube scho n – wenn ich ihnen erkläre, wie wichtig diese Reise ist.«
»Doch wie sollen wir ein wildes Einhorn reiten?«, wandte Cordelia ein.
»Wenn sie Euch vertrauen, werden sie sich Eurem Willen beugen«, erklärte Bryn und lächelte sie an. »Wünscht Ihr mit ihnen zu sprechen, Mylady?«
Cordelias Augen leuchteten auf. »Oh ja, gewiss.«
»So kommt«, sagte Bryn. »Meine Freunde werden sich geehrt fühlen, Eure Bekanntschaft zu machen.«
Cordelia und die anderen folgten ihm nach draußen, wo die Einhornherde ganz in der Nähe graste. Bryn stieß einen Pfiff aus und die Tiere trotteten zu ihm herüber. Tania wich schnell einen Schritt zurück, als sie näher kamen. Sie fürchtete sich immer noch ein bisschen vor den spitzen Hörnern.
»Brüder«, begann Bryn und legte seine Hand auf den anmutig gewölbten Hals eines Einhorns, das sich am nähesten herangewagt hatte, »diese guten Leute sind in großer Not und erbitten eure Hilfe.« Tania fühlte sich von den unergründlichen violetten Augen der Einhörner beobachtet. Sie versuchte ihren Blicken standzuhalten, aber nach einer Weile musste sie wegsehen. Die stolzen Köpfe senkten sich, und einige der wilden Tiere stampften mit den Hufen.
»In den hohen Norden und ohne Verweilen«, fuhr Bryn fort, als ob er auf eine Frage antwortete, die nur er gehört hatte.
Eines der Einhörner trat zu Cordelia und ließ sich von ihr die Hand auf die Mähne legen. »Sei mir gegrüßt, Kind der einsamen Hügel«, wisperte sie und schmiegte ihre Wange an den Hals des Einhorns.
»Er heißt Zephyr«, sagte Bryn.
Das Einhorn schnaubte und nickte mit dem Kopf.
»Ich hätte nie gedacht, dass sie so sein können«, sagte Edric. »Ich hielt sie immer für unzähmbar.«
Bryn sah ihn an. »Das sind sie auch, Edric Chanticleer. Nichts kann ihnen ihre Wildheit rauben. Wenn sie Euch zu Diensten sind, so nur aus freien Stücken.«
Ein zweites Einhorn näherte sich jetzt Tania. Das Tier hob den Kopf und brachte sein breites Maul an ihr Gesicht heran, seine Nüstern schnaubten sanft.
»Er heißt Tanz, Mylady«, sagte Bryn.
Das Einhorn schnaubte, wandte den Kopf und hielt ihr seinen geschwungenen Nacken hin. Vorsichtig legte Tania ihre Hand auf das glatte grauweiße Fell, das sich warm und seidig anfühlte. Tanz stupste sie spielerisch, sodass Tania einen Augenblick aus dem Gleichgewicht kam.
»Ich glaube, er mag dich«, sagte Edric.
»Ja, sieht ganz so aus«, stimmte Tania überrascht zu. Sie wechselte einen Blick mit Edric, der den Hals eines Einhornweibchens namens Drazin streichelte. »Oh Mann, wir reiten auf Einhörnern!«, sagte sie. »Wenn das nicht cool ist!«
Um die Mittagszeit, als die Sonne unbarmherzig auf die Heidehügel herabschien, hatten Tania und die anderen auf ihren Einhörnern das Tal zwischen dem Großen und dem Kleinen Erl erreicht und hielten an. Vor ihnen erstreckte sich das Hügelland in die dunstige blaue Ferne.
Bryn war bis hierher mitgekommen. »Von jetzt an werdet Ihr allein reiten«, sagte er, und Tania bemerkte, dass seine Augen besonders lange auf Cordelia ruhten, die seinen Blick eine Sekunde lang erwiderte und dann wegsah.
»Bis zum
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