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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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Fluss sind es noch fünf Meilen«, fuhr er fort. »Wenn Ihr ihn überquert, kommt Ihr nach Prydein. Die Berge im Norden sind voller Gefahren«, warnte er. »Und in den Wäldern von Fidach Renn sollen grässliche Kreaturen hausen.«
    »Weißt du, ob sie Flügel haben?«, fragte Tania, die sofort an die Karken von Ynis Maw dachte, die sie suchten.
    »Das kann ich nicht sagen«, antwortete Bryn. »Doch sind es mörderische Kreaturen, die kein Erbarmen kennen. Ich rate Euch, immer wachsam zu sein.«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, sagte Tania. »Aber dasselbe wurde uns über die Einhörner erzählt, also sind sie vielleicht gar nicht so schlimm.«
    »Wäre ich nicht in der Nähe gewesen, hätten sie Euch getötet«, wandte Bryn ein. »Und im Norden dürft Ihr nicht auf Freunde hoffen, Mylad y – dort findet Ihr keine.«
    Bryn wendete sein Einhorn, um auf demselben Weg zurückzureiten, den sie gekommen waren, doch plötzlich hielt er noch einmal an. Er griff in seinen Bauernkittel, holte etwas heraus und reichte es Cordelia. Es war eine seltsam geformte doppelte Pfeife oder Flöte.
    »Die Einhörner lieben Musik am Ende des Tages, Mylady«, sagte er lächelnd.
    Cordelia warf ihm einen ratlosen Blick zu. »Ich danke dir, doch habe ich nicht die Gabe zu musizieren«, sagte sie. »Meine Schwester Zara ist die Musikerin in unserem Haus.«
    Bryn erwiderte nichts, hielt ihr stumm die Pfeife hin, und Cordelia nahm sie zögernd an. »Ich danke dir«, sagte sie noch einmal.
    »So lebt denn wohl!«, rief Bryn schließlich, nachdem das Schweigen schon einen Augenblick zu lange gedauert hatte. »Mögen Euch die Glücksgeister gewogen bleiben, meine Freunde. Vielleicht treffen wir uns wieder, wenn Eure Aufgabe vollbracht ist.« Er drückte dem Einhorn die Fersen in die Weichen und das Tier wirbelte herum und galoppierte davon.
    Cordelia sah ihm lange nach, mit einer Sehnsucht im Blick, die Tania bei ihr noch nie bemerkt hatte. Dann schob sie die Doppelflöte in ihren Bauernkittel und wandte sich ab.
    »Kommt«, sagte sie. »Auf nach Ynis Maw!«

XVII
    S ie ritten durch eine Landschaft mit gedrungenen Bergen, die sich bis zum weißen Horizont erstreckten. Gräser und Flechten krallten sich in Kämme und graue Felsbänke und ließen kahle Gesimse entstehen, die einwärts stürzten und eine lange, von endlosen Regenfluten und Sturzbächen ausgehöhlte Schlucht bildeten. Tania saß auf ihrem Einhorn und betrachtete staunend die Myriaden von Wasserfällen, die ihren feinen Dunst in den Abendhimmel versprühten und die Luft mit schimmernden Regenbögen erfüllten.
    Unten stürzte der Wildbach in einen brodelnden Kessel, um dann südwärts durch ein tief eingeschnittenes Tal mit Heidekraut und Ginstergestrüpp zu fließen. Hier, wo das Land weniger karg und zerklüftet war, hatten sie den Fluss an einer breiten, steinigen Stelle überquert, die von der reißenden Strömung umtost wurde.
    »Das ist Reganfal«, verkündete Edric.
    Reganfal war der Ort, von dem er in Crystalhenge gesprochen hatte. Seine Augen leuchteten und feine Wassertröpfchen schimmerten auf seinem Gesicht.
    »Es ist wunderschön«, sagte Tania lächelnd.
    Edric lächelte zurück. »Ich hab’s dir ja gesagt.«
    Cordelia, die weiter in die Felsklüfte hinaufgeritten war, hatte auf einem flachen Plateau etwa zwanzig Fuß über ihnen angehalten und blickte nach Süden. Sie war den ganzen Tag ungewohnt still gewesen, hatte nur geredet, wenn sie gefragt wurde, und den Rest der Zeit verträumt in die Ferne gestarrt, vielleicht weil sie an Bryn dachte. Cordelia zeigte von allen Elfenprinzessinnen am wenigsten Interesse an anderen Leuten, geschweige denn an jungen Männern, aber vielleicht war Bryn eine Ausnahme, weil er Tiere genauso liebte wie sie?
    »Kommt weiter«, drängte Edric. »Ich möchte über den Berg sein, ehe es Nacht wird.«
    Tania blickte zweifelnd zu den Gipfeln auf. »Okay«, sagte sie und trieb Tanz an. »Wer als Letzter oben ist, kriegt die erste Wache!«
    »So sei es!«, rief Cordelia und Zephyr sprang über den Fels hinauf wie eine Bergziege.
    »Hey!«, brüllte Tania und trieb Tanz hinter ihr her. »So leicht lass ich dich nicht gewinnen!«
    Der Nachthimmel lag hinter einer dicken Wolkenbank verborgen. Tania hielt Wache. Sie rasteten auf einem Hochpass zwischen zwei steil aufragenden Gipfeln. Es war so dunkel, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte, aber sie spürte die erdrückende Gegenwart der Berge, und das war kein angenehmes Gefühl. Je

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