Die dunkle Schwester
Herzogin. »Titania hält sich noch immer mit ihrem Gefolge im Jagdschloss auf, wo sie durch Edens Zauber geschützt ist. Doch die Grauen Ritter schwärmen weiter durch den Wald, sodass sie ihre Zuflucht nicht verlassen können.«
»Und jetzt kommen noch mehr Graue Ritter, um sie zu jagen«, sagte Cordelia. »Das gefällt mir nicht. Wie sollen wir unseren Vater mit der Königin zusammenbringen, wenn die Speere und Schwerter von Lyonesse sie trennen?«
»Das ist nur eine der vielen Fragen, über die wir uns noch beraten müssen, ehe wir gegen den Hexenkönig ins Feld ziehen«, sagte Herzog Cornelius. Er sah Cordelia und Tania an. »Ihr seid gewiss erschöpft und hungrig von der langen Reise und müsst euch erst erholen, ehe wir weitersprechen.« Dann wandte er sich an die anderen: »Wir versammeln uns im Rosengarten, wenn die Sonne im Zenit steht. Und mögen die Glücksgeister uns gewogen sein, denn das Geschick des Elfenreichs liegt in unserer Hand.«
Der Rosengarten lag unter der hohen, fensterreichen Wand des Schlossturms. Schmale Wege schlängelten sich zwischen den Beeten voll roter und weißer Rosen hindurch und führten zu einem Rasenplatz in der Mitte. Dort standen geschnitzte Stühle um einen ovalen Teich mit stillem, klarem Wasser. Alles quoll über vor Rosen: Sie rankten sich an den Spalieren hoch und wuchsen über die Fenstersimse, sodass der ganze Garten ein einziges Blütenmeer und die Luft von süßem Duft erfüllt war.
Tania beobachtete die Gäste, die nach und nach eintrafen. Hopie und Lord Brython waren da und Marschall Cornelius mit seiner Familie. Cordelia saß mit Zara in der Nähe. Graf Valentyne hielt sich abseits, beide Hände auf seinen Stock gestützt, die Augen halb geschlossen und einen finsteren Ausdruck im Gesicht. Tania erspähte auch den unglücklichen Lord Gaidheal, der um seine Gemahlin trauerte. Er saß mit mehreren Lords und Ladys aus fast allen Herzogtümern des Elfenreichs zusammen, außer Weir natürlich und dem äußersten Norden.
Herzog Cornelius eröffnete die Versammlung. »Aus dem Süden sind Kundschafter zurückgekehrt«, begann er, »und sie bringen schlimme Nachrichten. Die Armada von Lyonesse wurde vor der Küste von Udwold gesichtet: tausend Schlangenboote, die uns angreifen werden. Es kann jetzt nicht mehr lange dauern, bis ihre Truppen vor Anker gehen.«
»Tausend Schiffe?«, wiederholte Lord Brython. »Das ist zwanzigmal so viel, als wir aufbieten können. Wie sollen wir gegen eine solche Übermacht bestehen? Unsere einzige Hoffnung wäre, gegen Lyonesse ins Feld zu ziehen und ihn niederzumachen, ehe die Armada an Land geht.«
»Doch wie sollen wir das zuwege bringen?«, fragte Corin. »Er wird nicht gegen uns kämpfen, ehe er alle seine Kräfte zusammengezogen hat. Doch dann wird er mit einer solchen Übermacht über uns herfallen, dass wir ihm nichts entgegenzusetzen haben.«
»Wenn er geheilt ist, besitzt Oberon die Macht, den Hexenkönig herauszufordern«, sagte Hopie. »Doch ist er noch viele Tagesreisen von hier entfernt, und er kann erst gesunden, wenn er mit der Königin vereint ist.«
»Aber wie sollen wir die beiden zusammenbringen?«, fragte Tania. »Titania ist im Wald gefangen. Gibt es denn keine Möglichkeit, sie dort rauszuholen, damit sie Oberon entgegenreisen kann?«
»Nur, wenn es uns gelänge, die Grauen Ritter von Esgarth wegzulocken«, sagte die Herzogin. »Das ist unsere einzige Hoffnung.«
»Warum soll der Hexenkönig sich aus den Wäldern von Esgarth zurückziehen und gegen uns kämpfen?«, fragte Graf Valentyne kopfschüttelnd. »Er wird seelenruhig im Palast sitzen, bis alle seine Truppen gelandet sind und ihm der Sieg nahezu gewiss ist.« Er blickte Tania und Cordelia durchdringend an. »Wie lange wird es dauern, bis Oberon im Süden eintrifft?«
»Zwei Tage«, antwortete Cordelia. »Vielleicht auch drei. Doch ohne die Königin wird er nicht in der Lage sein, uns gegen Lyonesse zu helfen. Wir dürfen nicht auf ihn warten, sondern müssen unsere Kräfte zusammenziehen und um die Westflanke der Wälder von Esgarth herummarschieren. Lasst uns unsere Banner über der Salisocheide hissen und den Hexenkönig zum Kampf herausfordern!«
»Gut gesprochen, Prinzessin«, sagte Herzog Cornelius. »Ja, wir werden nach Süden marschieren und ihn dort herausfordern. Jedoch sollten die Töchter des Königs nicht mit uns reisen, sondern hier in Ravensare warten, bis die Schlacht vorüber ist, sei es nun zum Guten oder zum
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