Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Reitz
Vom Netzwerk:
aus Kunststoff hockte ein Frosch, der wiederum vor den
Füßen einer venezianischen Frauenskulptur positioniert
war. Die drei ungewöhnlichen Gesellen wurden von weiteren
Figuren umringt, die, mit Mützen und Schals ausstaffiert, den
Besuchern entgegen blickten. Eine weitere Plastik hielt schützend
einen aufgespannten Regenschirm über die Truppe, während
eine andere auf einer dunkelbraunen Konzertgitarre ein Lied
anstimmte. Wellinger war jedoch wegen einer lebensgroßen
Schaufensterpuppe stehen geblieben. Mit Helm und orangefarbener
Sicherheitsweste ausgestattet, hatte er sie im ersten Augenblick für
einen der Arbeiter gehalten. Die machten sich anscheinend einen Spaß
daraus, die Mitglieder dieser skurrilen Gesellschaft nach und nach
aus dem Müll zu retten, um ihnen auf dem Hof eine neues Zuhause
zu gewähren. Nur, dass die Arbeiter dieses Mal keine Figur,
sondern eine Leiche im Müll gefunden hatten.
    Hagen nahm ihn in Empfang.
    „ Wann hört das endlich
auf?“, fragte der Rechtsmediziner bekümmert und deutete
auf das Tuch, das den Leichnam bedeckte.
    „ Ich wünschte, ich
könnte dir darauf eine Antwort geben.“
    „ Wirst du es ihr sagen?“
    Wellinger nickte. „Ja, aber
erst einmal habe ich Ricarda nicht informiert. Sie macht sich ohnehin
schon viel zu große Vorwürfe.“
    Hagen, der in die Hocke gegangen
war, um das Tuch zu lüften, hielt in der Bewegung inne und
gaffte ihn an. „Carsten, wovon sprichst du?“
    Triumphierend riss die stählerne
Faust Wellinger die Eingeweide aus dem Leib. Er war ein verdammter
Idiot! Nicht zum ersten Mal, hatte er einen vorschnellen Schluss
gezogen. „Wer ist es?“ Sein Mund war staubtrocken.
    „ Sieh selbst“,
antwortete Hagen leise und hob das Tuch hoch.

    Fest umschlungen hielt er sie in
den Armen, versuchte ihr Halt zu geben, während das Schluchzen
ihren Körper hin und her warf, ohne dass sie fähig gewesen
wäre, der Trauer Einhalt zu gebieten. Voller Verzweiflung schlug
sie mit ihren Fäusten auf ihn ein, doch der Schmerz, den ihre
Schläge verursachten, war nichts im Vergleich zu dem Schmerz
ihrer Trauer.
    Immer neue Wellen des giftigen
Gefühls schwappten heran, ergriffen Besitz von ihr, schüttelten
sie und ließen sie kraftlos in seinen Armen zurück. Sie
rief den Namen des geliebten Menschen, auch wenn sie wusste, dass er
ihr nie mehr antworten würde.
    Der Kummer, sie in dieser alles
verzehrenden Trauer zu sehen, machte ihn hilflos und klein.
    Wellinger hatte keinen Trost für
Franziska. Es hatte keine Zweifel gegeben. Die Leiche, die im
Container des Verwertungsbetriebes gefunden worden war, war eindeutig
westeuropäischer Abstammung und das kinnlange Haar, welches
schlaff zur Seite hing, hatte die Farbe eines Weizenfeldes.
Auffallend war der volle sinnliche Mund, der nicht so wirklich zu den
groben Gesichtszügen passen wollte. Ein schöner Mund. Ein
Mund, den man küssen mochte. Das Alter des toten Mannes konnte
man auf fünfunddreißig bis vierzig Jahre schätzen,
doch Wellinger wusste, dass der Tote genau achtunddreißig Jahre
alt war, denn er kannte nicht nur sein Geburtsdatum, sondern selbst
die exakte Minute seiner Geburt. Er war nur fünf Minuten nach
seiner Schwester auf die Welt gekommen.
    Immer noch kauerte Franziska in
seinen Armen. Ein letztes ersticktes Schluchzen, ein letztes
Aufbäumen, dann übermannte sie eine lethargische
Erschöpfung.
    “ Ich will ihn sehen“,
sagte sie mit matter Stimme und obwohl Wellinger ihr diese Bitte
gerne verweigert hätte, wusste er, dass er dazu kein Recht
besaß. Er musste Franziska erlauben von ihrem toten
Zwillingsbruder Mike Abschied zu nehmen.

Kapitel 19

    „ Hallo! Haben Sie Zeit?“
Neuhaus stand in der Tür und hob zwei Kaffeebecher in die Höhe.
    Wellinger stieß die Luft
aus. Eine Sache war nicht von der Hand zu weisen. Der LKA-Fritze
zeigte Ausdauer. Er zuckte mit den Schultern, zeigte aber zugleich
auf den Besucherstuhl.
    Neuhaus ließ sich nieder,
umsichtig darauf bedacht, die Becher in Balance zu halten. „Ricarda
sagte, ohne Zucker, nur Milch.“ Vorsichtig schob er einen der
Becher über den Schreibtisch.
    Aha, so war das also! Das LKA
hatte bereits Ricarda auf seine Seite gebracht. Neuhaus ging clever
vor und verstand sich anscheinend darauf, die Leute zu bestechen.
Wellinger hätte es nicht verwundert, wenn er auch noch einen
selbstgebackenen Kuchen aus der Tasche gezogen hätte. „Danke“,
presste er hervor und nahm einen Schluck. Der Kaffee belebte seinen
Geist. „Also,

Weitere Kostenlose Bücher