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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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führt oft zu religiösen Bewußtseinserweiterungen, die sehr beglückend sein können«, erklärte ihm Alfred Wenger. Es war sein erster Kommentar.
    »Du bezweifelst, daß es funktioniert hat«, stellte Urs fest.
    »Anstatt den Trip zu wiederholen und an den entscheidenden Stellen zu korrigieren, hast du einen völlig anderen gemacht.«
    »Aber einen phantastischen. Wir haben nicht nur die entscheidenden Stellen korrigiert, sondern die ganze Erfahrung. Ich bin sicher, daß es funktioniert hat.«
    Wenger nickte. Er schien nicht sehr überzeugt.
    Sie hatten Mühe, Lucille wach zu kriegen, als sie vor ihrer Wohnung hielten. Sie brachten sie die drei Treppen hinauf, und Wenger bat Pat, sich um sie zu kümmern. Urs Blank gab er zu verstehen, daß er es für besser halte, wenn er weiterhin im Hotel übernachte.

8
     
    Es war, als hätte sich die Welt verschworen, den Erfolg der Therapie zu testen. An der Rezeption im Imperial erwarteten ihn zwei dringende Nachrichten. Eine von Dr. von Berg, eine von Anton Huwyler. Beide bestanden auf dringendem Rückruf. Bei von Berg stand, dick unterstrichen, »als erstes«. Auch Evelyne bat um einen Anruf.
    Blank rief zuerst seinen Partner an. Beim zweiten Klingeln meldete er sich. »Huwyler ist am Ausrasten. Er versucht dich seit Samstag zu erreichen. Sie haben ein Informationsleck. Ein Journalist belagert ihn. Die Idioten im Hotel haben ihm gesagt, du seist verreist. Ich habe gesagt, du ließest dich in einer Privatklinik wegen einer Lebensmittelvergiftung behandeln und seist nicht erreichbar.«
    Er rief sofort Huwyler an. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Lebensmittelvergiftung«, sagte der als erstes. Blank ging nicht darauf ein. Er hörte sich Huwylers Geschichte an und fragte: »Wie heißt der Journalist?«
    »Müller.«
    »Pedro Müller?« Blank kannte den Mann. Er war einer der unangenehmeren Wirtschaftsjournalisten, die er kannte.
    »Können Sie ihn mir vom Hals schaffen? Wenn er die Sache bringt, können wir einpacken.«
    Blank versprach, sich darum zu kümmern.
    Als er Evelyne erreichte, fing sie sofort an zu weinen. Blank horchte in sich hinein und stellte erleichtert fest, daß sie ihm leid tat. Und noch ein Gefühl glaubte er festzustellen. Nicht Liebe, aber vielleicht so etwas wie ein schlechtes Gewissen.
    Es war noch früh am Abend, er hatte keine anderen Pläne, und so schlug er vor, sie zu besuchen.
    Evelyne hatte sich Mühe gegeben, besser auszusehen, als sie sich fühlte. Aber Blank erschrak trotzdem. Sie hatte ein paar Kilo abgenommen, und das stand ihr nicht. Es ließ sie älter aussehen. Als er sie zur Begrüßung auf die Wangen küßte, roch er, daß sie sich etwas Mut angetrunken hatte. Aber der Alkohol machte sie fahrig statt locker.
    Sie hatte im Eßzimmer den Tisch gedeckt. Es war Sonntagabend. Sie hatte nicht mit einem Gast gerechnet und ein paar Dosen aufgemacht. Es gab Krabbenfleisch und Entenleber-Pâté. Dazu Toastbrot, von dem sie immer etwas im Kühlfach hatte. Im Weinkühler stand eine angefangene Flasche Pouilly Fumé.
    Sie saßen da wie Gäste in diesem Haushalt, der vor kurzem noch ihr gemeinsamer gewesen war. Blank hatte ein schlechtes Gewissen, daß er sie so abrupt hatte sitzenlassen. Aber er konnte mit diesem Gefühl nichts anfangen. Er bereute zwar, was er getan hatte, aber er konnte sich zu nichts aufraffen, was geholfen hätte, etwas davon wiedergutzumachen. Die Evelyne der Vergangenheit tat ihm leid. Aber die Evelyne der Gegenwart war ihm gleichgültig.
    Er aß vom Krabbenfleisch und dachte an den Unterwasserwald. Das Gefühl, ein Teil des Universums zu sein und seine letzten Geheimnisse zu verstehen, war noch nicht ganz verflogen.
    »Gibst du uns noch eine Chance?«
    »Bitte?« Blank war in Gedanken gewesen und hatte Evelyne vergessen.
    »Glaubst du, wir sollten es noch einmal versuchen?«
    »Nein.« Was er angerichtet hatte, merkte er erst, als er Evelynes betroffene Miene sah. Sofort tat ihm seine unbedachte Antwort leid.
    »Dann ist es wohl besser, wir bringen die Sache rasch hinter uns«, brachte sie heraus.
    »Ja.« Er stand auf, löste den Haus- und den Garagenschlüssel vom Bund, legte sie auf den Tisch und ging.
    Als er im Wagen saß, tat ihm seine Reaktion bereits wieder leid. Aber es kam ihm nicht in den Sinn, wieder umzudrehen.
    Das Telefon riß ihn aus dem tiefsten Schlaf. Blank schaute auf die Uhr. Es war halb drei. Der Anrufer war Alfred Wenger. Er kam gerade von Evelyne. Ihre Freundin, Ruth Zopp, hatte ihn zu ihr

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