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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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war.
    »Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit ihm?«
    »Ein paar Tage vor seinem Verschwinden. Weshalb fragen Sie?«
    »Wir haben gewisse Anhaltspunkte, daß er noch lebt.«
    Wengers Überraschung schien echt. »Was für Anhaltspunkte?«
    Blaser klärte ihn auf, so weit er es für angemessen hielt. Dann öffnete er seine Mappe, die aussah, als wäre sie noch nie benützt worden, nahm den Pilzatlas heraus und zeigte ihm die Stelle.
    Wenger nickte. »Pius Otts Scherzpilz. Das hat Urs geschrieben.« Er entschied, daß diese Anekdote nicht unter das Arztgeheimnis fiel, und erzählte, was es damit für eine Bewandtnis hatte.
    »Und wie hat Blank darauf reagiert?« erkundigte sich Blaser, als Wenger geendet hatte.
    »Er schlug ihm eins auf die Nase.«
    »Kann ich verstehen«, sagte Blaser. Er suchte in der Mappe und brachte einen Plastikbeutel mit Pilzen zum Vorschein. Er reichte ihn Wenger. »Wir wissen, daß Dr. Blank mit Drogenpilzen experimentiert hat.«
    Das hingegen, entschied Wenger, fiel unter das Arztgeheimnis. »Sie werden verstehen, daß ich mich dazu nicht äußern kann.«
    Blaser genügte das als Äußerung. Er schlug den Pilzatlas beim zweiten Buchzeichen auf und reichte ihn Wenger. Der las die Beschreibung des Safrangelben Samthäubchens.
    »Die Unterstreichungen mit rotem Kugelschreiber stammen auch von Doktor Blank. Enthält MAOH . Sagt Ihnen das etwas?«
    Wenger nickte. » Monoaminoxidase-Hemmer. Sie verstärken die Wirkung bestimmter Halluzinogene.«
    »Zum Beispiel solcher?« Blaser hielt den Plastikbeutel mit den getrockneten Pilzen in die Höhe.
    »Gut möglich.«
    Blaser verstaute die Pilze und den Pilzatlas in seiner Mappe.
    Wenger war hinter seinem Schreibtisch sitzen geblieben. Urs Blank versteckte sich also irgendwo in den Wäldern und suchte nach einem seltenen Pilz, der als MAOH wirkte. Das bedeutete, daß er noch immer versuchte, die Wirkung seines Pilztrips rückgängig zu machen. Und folglich, daß er immer noch gefährlich war.
    Er griff zum Telefon und wählte die Nummer von Evelyne Vogt. Beim fünften Läuten meldete sie sich.
    Aber Wenger legte wieder auf. Die Nachricht von Blanks Überleben mußte für sie noch schlimmer sein als die von seinem Tod.
    Der Polizeigefreite Welti kam mit seinem neuen Hund Rambo vom Training zurück. Rambo war ein noch etwas tolpatschiger junger Schäferhundrüde, der erst noch in den Namen hineinwachsen mußte, den ihm der Zwinger gegeben hatte. Falls Welti sich erhofft hatte, daß Rambo ihm helfen würde, Pascha zu vergessen, hatte er sich getäuscht. Das Gegenteil traf zu. Rambo war Pascha in allen Belangen unterlegen. Außer vielleicht als Spürhund. Auf diesem Gebiet zeigte er großes Talent.
    In seinem Fach fand er einen Umschlag der internen Post. Er kam von den Fingerabdruck-Leuten und enthielt die Auswertung der Vergleiche. Die Aktennotiz hielt fest, daß einige der Abdrücke mit den auf dem Pilzatlas gesicherten übereinstimmten.
    »Fall Pascha« hatte ein Witzbold die Notiz betitelt. Die Schonfrist, die man einem Kollegen gewährte, dessen Hund in Ausübung seiner Pflicht gefallen war, schien abzulaufen. Welti fing an lästig zu werden mit seinem privaten Feldzug gegen den Waldmenschen.
    Ihm war das egal. Er war jetzt sicher, daß der Mann tatsächlich Urs Blank war, der einen Selbstmord vorgetäuscht hatte und im Zusammenhang mit dem Tod von Joe Gasser von der Kantonspolizei des Nachbarkantons gesucht wurde. Das dürfte genügen, um aus dem Fall Pascha einen Fall Blank zu machen.
    Im Bericht stand, daß die Fingerabdrücke auf dem Pilzatlas – wenn man von denen der Kollegen absah – alle von der Person stammten, von der im ehemaligen Büro von Dr. Blank zweiunddreißig Stück gefunden worden waren. Es folgte eine Auflistung der Fundorte: Tastatur, Tischblatt-Unterseite, mehrere Klarsichtmäppchen, mehrere CD-ROM s. Auf dem Drucker wurden vier Abdrücke gefunden. Jemand hatte diese Feststellung mit drei Ausrufezeichen versehen.
    Welti rief Kempf an, den Kollegen, der den Bericht verfaßt hatte.
    »Die Ausrufezeichen? Die sind mehr privat. Der Bursche in diesem Büro hatte behauptet, der Drucker sei erst nach dem Verschwinden deines Kunden angeschafft worden. Aber das habe ich mit bloßem Auge gesehen, daß das die gleichen Abdrücke sind. Nach über dreißig Jahren hast du das Auge.«
    Welti bedankte sich. Je älter, desto rechthaberischer, dachte er.
    Diesmal war Welti dran mit Bezahlen. Blaser hatte ihn bei der Hauptwache abgeholt, und

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