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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Martin Suter
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verfärben«, dozierte der Pilzkontrolleur.
    »Wissen Sie, wo es noch welche gibt?«
    »Dort, wo es noch Eiben gibt.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich sage es nicht gerne. Aber unter Männern der Wissenschaft: Das letzte, das mir in die Finger kam, stammte aus dem Rubliholz. Aber das ist bestimmt vier Jahre her.«
    Beim dritten Bier beschrieb ihm Theo Huber den Weg.
    Meinrad Harder junior hatte Wort gehalten. Er hatte die Verkäufe des Pilzatlasses noch in derselben Woche überprüft. Für Buchhändler dauerte die Woche bis zum Samstagnachmittag. Falls sie für Polizisten nur bis zum Freitag dauerte, hatte der Gefreite Welti eben Pech gehabt.
    Aber Welti hatte Dienst. Er meldete sich nach ein paar Minuten Wartemusik.
    »Elfmal wurde bar bezahlt, aber von drei Kunden weiß ich, wer sie sind.«
    Er diktierte Welti Namen und Adressen. Eine alte Stammkundin mit Monatsrechnung, ein Lehrer, der den Atlas über das Schulsekretariat bezogen hatte, ein Anwalt, der per Kreditkarte bezahlt hatte. »Er hat in dieser Zeit regelmäßig für hohe Beträge Bücher über Tier- und Pflanzenkunde gekauft. Aber er wird Ihnen nicht weiterhelfen können. Er ist im Juli im Gründelsee ertrunken.«
    Rolf Blaser war ein guter Polizist, aber kein besonders ordnungsliebender. Sein Büro wirkte nur aufgeräumt, wenn die Aktenschränke geschlossen waren. Wenn er ihre Rollos hochschob, kam ein Chaos aus Akten, Altpapier, Müll und Asservaten zu Tage, in dem selbst er sich nur mit Mühe auskannte.
    Vor einem dieser Rollschränke stand er jetzt und suchte nach der Akte »Gasser«.
    Ein Kollege von der Stadtpolizei hatte ihn angerufen. Er hatte die alte Geschichte des Selbstmords des Verdächtigen Blank wieder aufgewärmt. Ein Pilzbuch aus dessen Besitz war im Versteck eines Mannes gefunden worden, der offenbar im Wald lebte. Der Mann war flüchtig. Der Kollege vermutete, es handle sich um Urs Blank. Er hatte in der Akte den Hinweis gefunden, daß Blaser den Mann zu einer Brandsache mit Todesfolge vernehmen wollte. Ein Umstand, der damals als mögliches Motiv für den Selbstmord in Frage gekommen war.
    Der Gefreite Welti hatte vorgeschlagen, ihn im Büro aufzusuchen. Blaser hatte nichts dagegen. »Wann Sie wollen«, hatte er gesagt.
    »In diesem Fall in einer Stunde«, hatte Welti geantwortet. Jetzt suchte Blaser die Akte.
    Er fand sie kurz vor Weltis Eintreffen an einem Ort, wo er nicht gesucht hatte, weil er ganz sicher war, daß sie dort unmöglich sein konnte: Zwischen einer Zeitung, die er aus einem Grund aufbewahrt hatte, an den er sich nicht mehr erinnerte, und einer grauen Strickjacke, die er früher in den Übergangsmonaten im Büro trug, bevor die neue Heizung installiert wurde.
    Der Polizeigefreite Welti war Mitte dreißig, ein hellhäutiger, kräftiger Mann mit roten Händen und nicht viel mehr Haaren als Blaser. Nicht unsympathisch. Er schilderte ihm die flüchtige Begegnung mit dem mutmaßlichen Blank und beschrieb das Lager in allen Details. Er erklärte, nicht ohne Stolz, wie er auf Blanks Namen gestoßen war. Blasers Frage, warum er sich für die Sache so engagiere, kam er mit der Schilderung von Paschas traurigem Ende zuvor.
    Als Welti ihm den Pilzatlas mit der Inschrift zeigte, bemerkte Blaser: »Ja, mit Pilzen hatte es der.« Er erzählte ihm von Joe Gassers magischen Pilzzirkeln, an denen Blank teilgenommen hatte. Und davon, daß kurz vor dem Brand des Fichtenhofs vermutlich Blanks Jaguar dort gesehen worden war.
    Sie aßen in der Sonne, dem besseren der beiden Landgasthöfe, die für die Bewirtung eines auswärtigen Besuchers in Frage kamen. Beim Kaffee zeigte Blaser auf Blanks Pilzatlas. »Was ist mit Fingerabdrücken, Paul?« Blaser hatte Welti beim Dreier Beaujolais, den sie sich geteilt hatten, das Du angeboten.
    »Jede Menge. Aber ob sie von Blank sind, weiß ich nicht. Er ist in keiner Kartei.«
    »Warum fragst du nicht in seinem Büro, ob ein Team vorbeikommen darf?«
    »Mit welcher Begründung?«
    »Ob Blank noch lebt oder nicht, dürfte die auch interessieren.«
    Blaser griff sich den Atlas und begann darin zu blättern. »Was waren das für Pilze, die man unter seinen Vorräten gefunden hat?«
    »Getrocknete.«
    »Ich würde sie bestimmen lassen. Wäre interessant zu wissen, ob Drogenpilze darunter sind.«
    »Verstehe.«
    »Und wenn du schon dabei bist: Erkundige dich doch nach dem da.« Blaser zeigte auf das Safrangelbe Samthäubchen, dessen Standort Blank mit rotem Kugelschreiber unterstrichen hatte.
    Welti machte sich
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