Die dunkle Seite des Mondes
daß sie uns in dem Durcheinander nicht bemerkt haben«, sagte Charity skeptisch, als sie hinter einer Hügelkette außer Sicht gerieten. »Ich habe das Gefühl, sie nehmen immer weniger Rücksicht«, warf Skudder ein, der sich einfach gegen den Würfel gestemmt hatte, bevor der Beschleunigungsdruck einsetzte. »Ich meine, die Moroni waren nie besonders zartfühlend, aber inzwischen setzen sie bedenkenlos Atomwaffen ein.« »Sie wissen, daß es zu Ende geht«, sagte Dubois. Charity schüttelte den Kopf. »Da wissen sie mehr als ich.« Das Tagebaugebiet raste unter ihnen dahin. Charity vermutete, daß sogar die schwachen Triebwerke des Lastschiffs eine deutlich sichtbare Spur aus aufgewirbeltem Staub am Boden hinterlassen würden, aber sie wagte es nicht, auf größere Höhe zu gehen. »Dieses Ding fliegt sich wie ein nasser Badeschwamm«, murmelte sie. »Was machen wir, wenn der Transmitter nicht eingeschaltet ist?« fragte Skudder. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Ich werde diese Henne auf Grund setzen, und wir werden gemeinsam über unserer dunklen Zukunft brüten.« »Und wenn uns dasselbe passiert wie dem vierten Gleiter?« mischte sich Harris ein. »Keine Ahnung«, wiederholte Charity und biß sich auf die Zunge, als eines der Triebwerke ausfiel und die KEEP COOL einen Satz nach vorn machte. »Kommt schon, ich bin fast so dumm wie ihr. Laßt mich in Ruhe diesen Badeschwamm fliegen, okay?« Der Bildschirm zeigte die leergeräumte Grube II in voller Breite, und sie konnte den Transmitterring sehen. »Außerdem ist die Tür offen.« Dubois beugte sich vor und schaltete das Radar ein. Der Bildschirm zeigte die Felswand und unter dem Überhang ein Loch, dort, wo das Übertragungsfeld des Transmitters die Radarwellen einfach verschluckte. »Entweder haben sie die Anlage repariert«, sagte Dubois, »oder sie öffnen das Tor nur zu bestimmten Zeiten …« Es war nicht schwer, ihre Gedanken zu erraten. Sie hatten keine Funksignale empfangen, die die Moroni-Gleiter zurückriefen. »Der letzte Gleiter wird bald hier sein«, sprach Dubois ihre Befürchtungen aus. »Wohl kaum«, preßte Charity zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus, als das Lastschiff wieder zur Seite ausbrach. Auf den Bildschirmen war eine gewaltige Explosion hinter den Hügeln zu sehen, dort, wo sich vor wenigen Minuten noch die MacDonalds-Basis befunden hatte. »Diesmal gewinnen wir das Rennen.« Die anderen verzichteten auf einen Kommentar. Das Lastschiff zog so tief über den Boden, daß die Unterseite die Abraumhalden zu berühren schien. Mondstaub und kleinere Felsen wirbelten zu einer langgezogenen Schleppe empor, während der Transmitterring immer näher kam. Schwitzend und fluchend bemühte sich Charity, die unförmige Kapsel unter Kontrolle zu behalten. Der Ring war groß genug, um das Lastschiff durchzulassen, aber es blieb nicht viel Platz, und bei einer Kollision mit dem Ring oder der dahinterliegenden Felswand würde von ihnen nicht genug übrigbleiben, um ein Butterbrot zu belegen. »BANNNZZAAAIIII«, brüllte sie, als der Ring ihnen entgegensprang. Im nächsten Moment hatte die graue Dunkelheit sie verschlungen.
Kapitel 6
Der Luftschacht endete, wie Luftschächte zu enden pflegten, vor einem gewaltigen, sich einladend langsam drehenden Ventilator. Hartmann blieb stehen und rang nach Atem. In einer etwas höheren Schwerkraft hätte er sich auf die Knie fallen lassen, aber bei weniger als einem Zehntel Schwerkraft dauerte der Fall selbst viel zu lange. Er sah sich um und packte eines der an der Decke verlaufenden Kabelrohre. Die Moroni-Krieger konnten nicht weit hinter ihm sein, irgendwo in der Dunkelheit des schmalen Schachtes, der ebenso zur Inspektion wie für die Abluft zu dienen schien. Das Rohr löste sich leicht aus den spröde gewordenen Verankerungen. Es waren keine Kabel darin verlegt worden. Der größte Teil dieser Anlage war niemals wirklich benötigt worden, bis die Moroni sie in Besitz genommen hatten. Wütend rammte er das Rohr vor eines der gewaltigen Schaufelblätter. Der Ventilator kam knirschend zum Stillstand, und Sekunden später unterbrach irgendeine zuvorkommende Sicherung die Stromzufuhr zu dem durchbrennenden Motor. Bei dieser Schwerkraft waren Motoren nur für niedrige Leistung ausgelegt, und wenn die Ventilatorschaufeln nicht rasiermesserscharf gewesen wären, hätte er sie wohl auch mit der Hand aufhalten können. Er bückte sich und zwängte sich zwischen zwei Schaufeln hindurch, wobei
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