Die dunkle Seite des Mondes
geschmolzen war. Drähte spannten sich in alle Richtungen durch die Blase, und in unregelmäßigen Abständen waren Plattformen und Maschinen zwischen den Drahtgeflechten aufgehängt. Die Hitze stieg ihm in den Kopf und bedeckte seine Haut mit riesigen Schweißtropfen. Er ging näher an den Rand der Galerie heran. Es gab kein Geländer. Etwa zweihundert Meter von ihm entfernt erhob sich mitten in der Lava eine weitere Säule, und dahinter konnte er weitere erkennen. Er fragte sich, ob sie tatsächlich die Decke der riesigen Blase stützten oder ob sie irgendeine andere rätselhafte Funktion hatten. Er hob den Kopf und versuchte, in dem schmerzhaften roten Licht irgend etwas zu erkennen. Den Moroni bemerkte er erst, als er neben ihm stand. Eine Zange faßte nach seinem Arm. Instinktiv ließ er sich fallen und duckte sich nach vorn, bevor er begriff, daß er einen Fehler gemacht hatte. Die Ameise hatte sein Vorgehen nicht erwartet. Sie griff ins Leere und verlor den Halt. Kreischend kippte sie über die Kante der Galerie und stürzte fast hundert Meter in die Tiefe, langsam erst, dann immer schneller, bevor sie in der rotglühenden Masse verschwand. Eine gelbe Stichflamme markierte sekundenlang die Stelle, an der der Moroni gestorben war. Hartmann zog sich mühsam wieder über die Kante zurück. Trotz der geringen Schwerkraft zitterte er am ganzen Körper. Er sah die Galerie entlang und entdeckte weitere Moroni, die dort vor einem von der Galerie abzweigenden Seitenstollen standen. Ein paar von ihnen kamen in seine Richtung, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie ihn entdecken würden. Hastig sah er in die andere Richtung. Nach einem halben Kilometer war der Bogen der Galerie von einem großen Einbruch unterbrochen, und auch dort bewegten sich plötzlich zahlreiche Insektengestalten. Anscheinend war er mitten in umfangreiche Bauarbeiten hineingeplatzt. Er ging zum Wagen zurück und nahm das Funkgerät heraus, dann lief er geduckt in der Deckung der Säule davon. Nicht weit entfernt war eines der dickeren Drahtseile in einer Halterung aus chitinähnlichem Moroni-Metall verankert. Hartmann vermied es, über seinen Plan nachzudenken. Er ergriff das Drahtseil, das glücklicherweise angenehm kühl war, und begann, es hinaufzuklettern. Diese Drähte schienen aus einem anderen Material zu bestehen als das senkrechte Zugseil in dem Schacht, den er mit Net hinaufgeklettert war. Die Moroni hatten ihn inzwischen vermutlich gesehen. Er blickte nicht zurück, bis er fast hundert Meter weit gekommen war. Einige Ameisen standen auf der Galerie und sahen zu ihm hinüber, aber sie schossen nicht auf ihn. Vielleicht wollten sie die Drähte nicht beschädigen oder die Maschinen, die an das Drahtgeflecht angeschlossen waren. Hartmann sah nach unten. Hundertachtzig Meter unter ihm brodelte und kochte der Lavasee, der anscheinend das untere Drittel der Blase ausfüllte. Er schluckte, und einen Moment lang schienen seine schweißnassen Hände jeden Halt auf dem Draht zu verlieren. Hartmann schloß die Augen und versuchte, ruhiger zu atmen. Nach einer Weile setzte er seinen Weg fort und vermied es dabei sorgsam, den Blick nach unten zu richten. Inzwischen war er sich sicher, daß die Moroni ihm nicht folgen würden. Er erreichte eine Plattform und beschloß, sich ein wenig auszuruhen. Die Maschinenteile waren ihm völlig unbekannt, und es gab keine Bedienungselemente. In der niedrigen Schwerkraft fiel ihm das Klettern relativ leicht, und je höher er kam, desto weniger litt er unter der Hitze, die die Lava abstrahlte. Die heiße Luft selbst machte ihm weniger zu schaffen, obwohl sie seinen Hals austrocknen ließ und in der Lunge brannte. Er folgte einem der steil zur Decke verlaufenden Drahtgeflechte mit den Augen und entschied sich, zunächst ein wenig Abstand zwischen sich und das geschmolzene Felsgestein zu legen. Irgendwo dort oben mußte die Ebene sein, die er kannte, und darüber die Oberfläche, an der Net auf ihn wartete. Nur eine Frage der Ausdauer, dachte er, und ein hysterisches Lachen schüttelte ihn.
*
Die Bewegungen in der großen Halle schienen plötzlich einzufrieren. Moroni-Ameisen verharrten mitten in ihren insektenflinken Bewegungen und warteten. Eine schwache Vibration lief durch Boden, Wände und Luft, breitete sich aus, wurde reflektiert und lief wieder zurück zu ihrem Ursprung. Zum Sternentransmitter. Ein Moroni schnellte nach vorn und löste einen Alarm aus. Maschinen schalteten
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