Die dunkle Seite des Ruhms
Wieso schläft Rosa bei Lora? Davon war nie gesprochen worden. Lora klärte die Frage sofort auf. »Rosa rief mich am Vormittag an. Und sie fragte: Kann ich heute bei dir schlafen? Ohne Mutti ist es so leer im Haus! Ich fürchte mich allein, da helfen auch die Alarmanlagen nichts. – Natürlich sagte ich sofort zu. Rosa kam dann zu uns, am Nachmittag, und brachte einen jungen Mann mit. Mediziner. Red Cummings heißt er.«
Felicitas nickte mehrmals, als Ballister sie fragend anschaute. Es stimmt. Cummings ist ein guter Junge. Will auf Rosa aufpassen, aber sie hat trotzdem Angst. Es war eine gute Idee, zu Lora zu gehen. Dann mußte sie lächeln und streichelte Ballister über das Gesicht. Wir sind doch eine unmoralische Bande, dachte sie. Die Tochter schläft bei der Frau des Geliebten der Mutter, die wiederum zur gleichen Zeit mit dem Mann der Frau schläft.
»Cummings blieb bis gegen 21 Uhr«, sprach Lora weiter. »Ein sympathischer junger Mann mit vollendeten Manieren und großen Plänen. Und Rosa ist verliebt. Wir hatten einen netten Abend zusammen. Dann fuhr er nach Hause, Rosa und ich tranken noch ein Glas Wein, und wir freuten uns, daß gegen 22 Uhr noch Stan Barley hereinschauen wollte. Du kennst Stan doch, Jérome? Er hat das Jazz-Sinfonie-Orchester und hat die erste Sinfonie in Jazzform komponiert. Stan hatte Probe und wollte nachher noch auf einen Drink vorbeikommen und mir eine neue Komposition vorspielen.« Lora lachte grell und hysterisch. »Du weißt doch, Jérome … Stan ist seit neunzehn Jahren in mich verliebt und hat dir nie verziehen, daß du mich geheiratet hast. Aber Stan kam nicht. Wir warteten bis nach 23 Uhr, dann ließ ich die Hunde noch einmal raus, sie rasten in den Garten und benahmen sich wie verrückt. Sie kamen auch nicht zurück, und als ich zu ihnen ging, Jérome, als ich zu ihnen ging …« Ihre Stimme wurde schrill. »Stan lag da! Ermordet. Wie Varone … mit einem Strick erwürgt …« Jetzt weinte sie laut. Ballister stand der Schweiß auf der Stirn. »Im Haus wimmelt es von Menschen. Die Mordkommission ist da! Ein Haufen Reporter! Ich bin am Ende, Jérome. Kannst du nicht sofort zurückkommen? Hörst du mich? Der zweite Mord in unserem Garten. Wer will uns denn da fertig machen? Wer will uns vernichten? Und warum bloß? Warum? Weißt du darauf eine Antwort?«
Ballister wußte keine … er saß wie versteinert im Bett, und Felicitas tupfte ihm mit ihrem durchsichtigen Nachthemd den Schweiß aus dem Gesicht.
VII
Selbst ein Mann wie Ballister, dem man nachsagte, daß er auch in den heißesten New Yorker Sommertagen keinen Kühlschrank anstellte, weil seine Gegenwart genug Kälte ausströmte, brauchte jetzt einige Atemzüge Zeit, um die Situation voll zu begreifen. Felicitas kraulte ihm den Nacken, weil sie wußte, daß ihn das ungemein beruhigte, aber diesmal hielt er ihre Hand fest und schüttelte abwehrend den Kopf.
»Zurückkommen ist völlig unmöglich«, sagte er mit belegter Stimme. »Das siehst du doch ein, Lora.«
»Nichts sehe ich ein!« schrie Lora hysterisch. »Du sonnst dich in der Wüste, während hier in unserem Haus die Leute reihenweise umgebracht werden.«
»Bis jetzt sind es zwei.«
»Bis jetzt?« Lora bekam anscheinend keine Luft mehr. »Genügt dir das nicht? Erwartest du noch mehr?« Sie weinte plötzlich herzzerreißend, und Ballister sah sie in Gedanken vor sich, auf dem Bett liegend, gegen die Decke starrend, in der freien Hand ein zerknülltes Taschentuch. Gleichzeitig fiel ihm ein, was Dr. Meyer gesagt hatte: Keine Aufregung. Jede große Erschütterung kann eine Katastrophe werden!
»Lora, bitte, reg dich nicht auf!« sagte Ballister beschwörend. »Die Polizei wird sich schon um alles kümmern.«
»Nicht aufregen?« schrie sie. »Das sagst du so daher! Um den halben Erdball herum gibst du so billige Ratschläge! Begreifst du nicht, daß ich vor Angst umkomme? Um unser Haus herum schleicht ein Massenmörder! Ein Würger! Und warum?«
»Darauf gibt es keine Antwort!« sagte Ballister nachdenklich. »Da Fremde umgebracht werden und nicht wir …«
»Dein Gemüt übertrifft das eines Elefanten!«
»Ein Elefant ist ein zartes Geschöpf – von der Psyche her betrachtet«, sagte Ballister. »Das müßtest du wissen! Aber deine Frage ist berechtigt: Warum bepflastert man uns mit Toten?«
»Aha! Du kommst also?«
»So schnell wie möglich! Morgen – nehme ich an – treffen wir Amin.«
»Ist dieser Idi Amin dir wichtiger als unser Haus?« schrie
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