Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
lange um den heißen Brei herum. Er belehrte ihn wie
vorgeschrieben und stellte dann seine Fragen.
Da Sergej wegen der
vorangegangenen Intubation und Beatmung Schwierigkeiten beim Sprechen hatte,
redete er leise und mit vielen Unterbrechungen. Boris und er waren zu Jonas in
die Gartenlaube gegangen, nachdem ihm seine Schwester Irina erzählt hatte, dass
Jonas sie in den Nachhilfestunden belästige. In der Laube waren Boris die chemischen
Geräte und vor allem die Pillen aufgefallen, die er von seinem Bruder Aleksandr
kannte. Er behauptete, er könne damit für sie beide ein Vermögen verdienen,
also steckten sie die Drogen ein und bedrohten Jonas, damit er ihnen noch mehr
davon herstellte. Wenn er nicht gehorchte, würden sie ihn zusammenschlagen. Von
Irina war plötzlich nicht mehr die Rede. In den folgenden Wochen holten sie
noch zweimal Pillen bei Jonas ab. Allerdings eine wesentlich geringere
Stückzahl als beim ersten Mal, was Boris ärgerte, denn er war mittlerweile
gierig geworden. Sein Bruder hatte die Pillen verkauft und ihnen einen Anteil
vom Gewinn gegeben. Jonas behauptete jedoch, er könne nicht mehr Pillen machen,
weil das Putzmittel, das die Basis bildete, nur schwer zu bekommen sei. Anfangs
hatten sie ihm die Begründung geglaubt, aber dann war Boris durch Zufall im
Internet auf einen Onlinehändler gestoßen, der ebendiesen Reiniger vertrieb.
Außerdem hatte er mittlerweile nachgelesen, dass man die Droge auch flüssig
verwenden konnte, die Pillenherstellung also absolut unnötig war.
Sie waren in die Gartenlaube
gefahren, um Jonas zur Rede zu stellen, doch hatten sie weder ihn noch seine
Ausrüstung dort gefunden. Stattdessen waren sie auf Blutflecken auf dem Boden
und den herumliegenden Schlafsack gestoßen. Sie waren unverrichteter Dinge
wieder gegangen und wollten Jonas ein andermal auf dem Schulweg abpassen.
Dann hatte ihn, Sergej, seine
Schwester Irina vorletzte Woche vom Heimweg von der Schule aus angerufen, weil
sie ein Gespräch zwischen Jonas und Sara belauscht hatte. Jonas hatte gesagt,
er wolle zur Polizei gehen. Deswegen fuhren er, Sergej, und Boris so schnell
wie möglich nach Röthenbach. Irina wollte versuchen, Jonas unterwegs
aufzuhalten.
Die beiden Jungen waren
tatsächlich schneller als Jonas und passten ihn an der S-Bahn-Station
Röthenbach-Seespitze ab, an der er aussteigen musste. Statt ihn jedoch nach
Hause zu begleiten, spazierten sie mit ihm durch den Wald. Als sie auf ein Feld kamen, eskalierte die
Situation, denn Jonas weigerte sich hartnäckig, weitere Pillen für sie
herzustellen. Außerdem behauptete er, Irina schmeiße sich wie eine billige
Nutte an ihn ran. Er wolle endlich seine Ruhe vor ihr haben. Daraufhin hatte
er, Sergej, ihm einen Kinnhaken verpasst, Jonas war gestolpert, hingefallen und
hatte angefangen zu schreien. Was dann passierte, wusste Sergej nicht mehr,
aber plötzlich lag Jonas regungslos im Feld. Die beiden Freunde hatten Angst
bekommen und Boris’ Bruder Aleksandr angerufen, der sofort mit dem Auto eines
Kumpels gekommen war. Zusammen hatten sie die Leiche in den Transporter
geladen, dann aber nicht gewusst, was sie mit ihr anfangen sollten. Also waren
sie zurück nach Langwasser gefahren und hatten den Toten erst einmal im Auto
gelassen.
Am nächsten Tag hatte Aleksandr
dann die rettende Idee – sie war ihm bei einem Mafiafilm gekommen, den er am
Abend mit ein paar Freunden angesehen hatte. Sie fuhren los, klauten ein paar
Säcke Zement von einer Baustelle sowie eine große schwarze Mülltonne und
brachten alles in die leere Wohnung einer Bekannten von Aleksandr. Dort
betonierten sie den Toten, der schon zu stinken anfing, in die Tonne ein.
Leider merkten sie erst hinterher, dass diese durch die Füllung viel zu schwer
geworden war, um sie aus der Souterrainwohnung die Treppen hinaufzutragen. Sie
mühten sich ab, aber es hatte keinen Zweck. Aleksandr bekam daraufhin einen
Wutanfall und zertrümmerte den Stuhl in der Wohnung.
In einem großen Baumarkt in der
Leyherstraße stahlen sie Werkzeug und Blumenkübel aus Plastik, wobei sie fast
erwischt worden waren, dann meißelten sie den Toten wieder aus der Tonne. Das
anschließende Zerstückeln der Leiche war das Ekelhafteste, was Sergej je erlebt
hatte. Er selbst hatte die meiste Zeit über der Kloschüssel verbracht und war
erst wieder zu den Brüdern Kusnezow gestoßen, als es um das Anrühren des
frischen Zements ging.
Die Pötte hatten sie dann in
einer Nacht- und Nebelaktion in den
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