Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
verändert, und wir bringen Sie anschließend sofort wieder her.«
Entschieden schüttelte sie den
Kopf: »Ich gehe hier nicht weg. Irina begleitet Sie, oder Sie nehmen den
Wohnungsschlüssel mit. Wenn Sie reden wollen, dann können Sie das auch hier
tun, aber ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ich weiß nicht, was im Keller
passiert ist.«
Irina drückte sich an ihre
Mutter. »Ich geh nicht mit. Ich geh nicht mit, Mamutschka. Ich bleib bei dir.«
Ihre Stimme klang panisch.
»Du musst nicht mitgehen«,
beruhigte Hackenholt sie leise. »Dann nehme ich eben den Schlüssel.«
Dem Haus in der Giesbertsstraße
war der Brand deutlich anzusehen: Die herausgerissenen Kellerfenster hatten
dunkle, klaffende Löcher in der vom Rauch geschwärzten Fassade hinterlassen.
Auch das Treppenhaus war voller Ruß.
Vor dem Gebäude stand eine
Gruppe Männer. Hackenholt erkannte seinen Kollegen Matthias Heerweger vom K 12,
das für Brandermittlungen zuständig war, und gesellte sich zu ihm.
»Hallo, Matthias. Weißt du
schon, was passiert ist?«
»Auf dich habe ich schon die
ganze Zeit gewartet. Im Präsidium hat man mir gesagt, du wärst bereits vor Ort,
aber hier wusste niemand, wo du steckst.«
»Wir haben gerade mit den
Angehörigen gesprochen. Was hast du herausgefunden?«
»Der Brand im Keller geht auf
die Explosion einer Propangasflasche zurück. So eine, wie man sie zum Campen
verwendet. Natürlich ist nicht die Flasche als solche explodiert, aber durch
unsachgemäßes Hantieren muss Gas ausgetreten sein, das sich dann mit der Luft
zu einem hochexplosiven Gemisch verbunden hat. Zum Glück war nicht mehr viel in
der Flasche, sonst wäre die Explosion viel heftiger ausgefallen und hätte die
Mauern beschädigt – aber sie hat ja auch so schon genug Schaden angerichtet«,
schob er schnell hinterher.
»Warum, um alles in der Welt,
haben die beiden Jugendlichen im Keller mit Gas rumhantiert?«
»Frag mich nicht, was in deren
Köpfen vorgegangen ist«, seufzte Heerweger. »Letztendliche Gewissheit kann dir
nur die Aussage des überlebenden Jugendlichen geben, aber ich glaube, sie
wollten etwas kochen. Ich habe einen zerbeulten Topf gefunden und jede Menge
zusammengeschmortes Plastik.«
»Oh mein Gott«, murmelte
Hackenholt. Die Jungen hatten doch wohl nicht die Aktivitäten aus der Laube im
Keller fortgesetzt?
Dienstag
Nachts um halb eins wurde
Hackenholt vom Klingeln seines Handys geweckt. Von Sophies Seite ertönte ein
unwilliges Brummen. Sie drehte sich um, zog sich die Decke über den Kopf und
schlief weiter, während Hackenholt hastig aufstand und ins Wohnzimmer lief, wo
er das Gespräch annahm.
Ein Kollege der PI West meldete sich. Bitte, lass nicht
noch etwas passiert sein, schickte Hackenholt schnell ein stilles Stoßgebet gen
Himmel, doch zu seiner Erleichterung hatte der Kollege gute Nachrichten. Im
Rahmen einer Fahndungsmaßnahme nach einem Gaststätteneinbruch war einer Streife
an einer Bushaltestelle ein Mann aufgefallen. Als sie eine Personenkontrolle
durchführen wollten, flüchtete er, wurde allerdings zwei Querstraßen weiter von
einer anderen Streife gestellt. Der Mann war Aleksandr Kusnezow. Die Kollegen
brachten ihn gerade zur Polizeihaftanstalt ins Präsidium, da die U-Haft nachts
keine Zugänge annahm.
»Ich mach mich sofort auf den
Weg«, entschied Hackenholt und dankte dem Kollegen für die Information. Danach
klingelte er Wünnenberg aus dem Tiefschlaf. »Sie haben Aleksandr erwischt.
Kannst du ins Kommissariat kommen?«
Aleksandr Kusnezow war in eine
Zelle gebracht worden. Seit seiner Festnahme hatte er keinen Ton von sich
gegeben und schien daran auch nichts ändern zu wollen. Hackenholt setzte alles
auf eine Karte.
»Haben Sie seit gestern Mittag
mit Ihren Eltern gesprochen?«, eröffnete er das Gespräch, nachdem er sich ihm
gegenüber an den Tisch im Vernehmungsraum gesetzt hatte.
Die Antwort war ein aggressives
Starren.
Hackenholt schaute ausdruckslos
zurück. »Dann wissen Sie also noch nicht, dass Ihr Bruder Boris gestern
Vormittag bei einem Brand ums Leben gekommen ist?«
Ein Schatten huschte über
Aleksandrs Gesicht, verschwand jedoch sofort wieder. Er machte eine wegwerfende
Handbewegung und kippelte mit seinem Stuhl. »Das können Sie sich sparen. Ich
falle nicht auf Ihre Tricks rein.«
Statt darauf einzugehen, zog
Hackenholt seine Aktentasche zu sich und entnahm ihr einen Stapel Bilder, den
er langsam durchblätterte. Ganz bewusst wählte er eins aus, auf dem
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