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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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geworden und habe gleich in der ersten Arbeit eine Fünf geschrieben
und dann eine Sechs. Mein Mathelehrer hat mir gesagt, dass ich mehr tun muss
und am besten Nachhilfe nehmen soll. Aber meine Eltern verdienen nicht viel
Geld, deshalb hat er mich in der Pause Jonas vorgestellt. Der hat nicht so viel
verlangt, weil er selbst noch Schüler war. Er hat mir geholfen, und auf einmal
hat es in Mathe richtig gut geklappt.« Sie schluckte. Ihre Stimme veränderte
sich. »Aber dann hat er plötzlich immer so zweideutige Sachen gesagt und wollte
sich mit mir treffen. Außerdem hat er ein paarmal versucht mich anzufassen und
sich immer ganz nah neben mich gesetzt.«
    »Die Nachhilfe, wo habt ihr die
eigentlich abgehalten?«, fragte Hackenholt, da Irina schwieg. »Immer in der
Schule?«
    Sie nickte. »Ich wollte das ja
alles nicht, und deswegen habe ich mich auch nie woanders mit ihm getroffen.
Nie.«
    »Und die Gartenlaube?«
    »Die kenne ich nicht«, sagte
Irina schnell. Zu schnell. Als ob die überstürzte Antwort nicht schon genügt
hätte, verriet auch das flammende Rot, das ihr ins Gesicht schoss, ihre Lüge.
Sie merkte es selbst und begann wieder zu weinen.
    »Isd es vielleichd a so gwesn,
dass du dich bei die Nåchhilfeschdundn in den Jonas verliebd hasd, obber dass
er kei Inderesse ghabd hadd?«, fragte Baumann in für ihre Verhältnisse fast
annähernd perfektem Hochdeutsch, das Hackenholt völlig aus dem Konzept brachte.
    Einen langen Moment herrschte
völlige Stille im Zimmer. Irina weinte noch immer. Schließlich nickte sie.
    »Aber warum hast du deinem
Bruder dann erzählt, er würde dich belästigen?«
    »Ich wollte es Jonas heimzahlen.
Die ganze Zeit hatte er nur Augen und Ohren für diese Sara. Dabei ist sie eine
dumme, eingebildete Kuh. Ich habe sie beide zusammen in der S-Bahn gesehen. Er
hat sie sogar mit in den Schrebergarten genommen, aber mit mir ist er da nie
hingegangen!« Ihre Stimme klang tatsächlich empört.
    »Und als Jonas zur Polizei gehen
wollte? Hast du da das Gespräch zwischen Jonas und Sara belauscht, anschließend
deinen Bruder angerufen und Jonas dann auf dem Heimweg aufgehalten?«
    Irina sah Hackenholt trotzig an.
»Die beiden haben ja nicht mal gemerkt, dass ich direkt hinter ihnen gestanden
bin, als sie sich an der Haltestelle unterhalten haben. Was hätte ich denn
sonst machen sollen? Wenn Jonas zur Polizei gegangen wäre, hätte er Boris und
Sergej angezeigt! Und dass so etwas für uns Russen immer schlecht ausgeht, das
sieht man ja an Aleksandr. Der wurde schon so oft eingesperrt, obwohl er
überhaupt nichts dafür gekonnt hat.«
    Einen Augenblick lang fühlte
sich Hackenholt ungemein erleichtert, weil ihn sein Bauchgefühl doch nicht
betrogen hatte. Jonas war kein heimliches Sexmonster gewesen, das sich während
der Nachhilfestunden an Irina herangemacht und sie missbraucht hatte. Doch im
nächsten Augenblick war seine Erleichterung auch schon wieder verflogen, da er
den Tatsachen ins Auge sehen musste, die aus diesem Eingeständnis folgten: Das
vor ihm sitzende junge Mädchen hatte zu Straftaten beigetragen, die sie mehrere
Jahre hinter Gitter bringen würden.
    Am Nachmittag meldete der
Pförtner eine Besucherin für Hackenholt. Es war Sara. Sie hatte seine Bitte um
Rückruf auf ihrer Mailbox abgehört und war vorbeigekommen, da sie lieber von
Angesicht zu Angesicht mit ihm reden wollte. Allerdings bat sie ihn, gemeinsam
durch die Fußgängerzone zu schlendern, sie hielt sich im Moment nicht gerne in
geschlossenen Räumen auf.
    »Du weißt inzwischen, was
passiert ist, nicht wahr?«, eröffnete Hackenholt das Gespräch, während sie langsam in Richtung Jakobskirche mit ihrem typisch spitzen fränkischen Turm
gingen.
    Sara blieb vor einem
Pflasterstein stehen, in den ein Name eingraviert war. Er gehörte zu einem
Bodendenkmal in der Fußgängerzone, das an die Nürnberger HIV -Opfer und das zwanzigjährige
Bestehen der AIDS -Hilfe erinnern
sollte.
    »Es ist so unvorstellbar, was
sich Menschen gegenseitig antun können«, sagte sie leise. »Bisher hatte ich das
offenbar noch gar nicht richtig begriffen. Jonas war so ein netter und
hilfsbereiter Mensch.« Ihre Stimme brach. »Warum haben Sie bei mir angerufen?«,
fragte sie nach ein paar Minuten.
    »Ich wollte etwas von dir
wissen, aber das hat sich inzwischen erübrigt. Ich habe schon eine Antwort
gefunden.«
    »Was wollten Sie denn wissen?«
    »Ob Jonas in dich verliebt war,
oder ob es ein anderes Mädchen in eurer Schule gab, für

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