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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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Diese
Kaltschnäuzigkeit. Die Art und Weise, in der Aleksandr all das erzählte, ließ
keinerlei Reue erkennen. Schnell stand Hackenholt auf und ging scheinbar
gelangweilt im Zimmer auf und ab. Erst als er sich sicher war, seine Stimme
auch weiterhin unter Kontrolle zu haben, stellte er die nächste Frage. »Und der
Obdachlose?«
    »Hä? Was für ein Obdachloser?«
Aleksandr tat verwirrt.
    »Hör endlich auf mit deinen
Spielchen«, herrschte ihn Wünnenberg an. »Der Penner, der euch in der Laube in
die Quere gekommen ist. Dem ihr auch eine Abreibung verpasst habt, wie du es so
schön nennst. Jämmerlich ersoffen ist der, nachdem ihr ihn zum Krepieren in den
Wald gebracht habt. In einer Pfütze!«
    Hackenholt war sich nicht
sicher, ob Wünnenberg noch seinen Part als böser Cop spielte, oder ob es ihm
ebenfalls zu naheging, wie gleichgültig der junge Russe über die
Kapitalverbrechen plauderte.
    »Von einem Penner weiß ich
nichts«, bekräftigte Aleksandr nochmals schulterzuckend. Die Geste unterstrich,
wie egal ihm alles war. Auf ein Menschenleben mehr oder weniger kam es nicht
an. »Fragen Sie Sergej. Vielleicht sagt der Ihnen ja mehr.« Wieder machte sich
ein gehässiges Grinsen auf dem Gesicht des jungen Mannes breit.
    »Und wie, bitte schön, kommen die
Drogen in Ihr Zimmer, wenn alles doch alleine Sergejs Angelegenheit war?«
    »Sergej hat sie dort deponiert.
Oder er hat sie Boris gegeben, damit er sie versteckt. Was weiß ich? Ich habe
nichts damit zu tun.«
    Hackenholt kommentierte die
Aussage nicht, denn in der Tat war noch nicht abschließend geklärt, welche
Fingerabdrücke sich auf dem Tütchen befanden, das Stellfeldt im Zimmer von
Boris und Aleksandr Kusnezow gefunden hatte.
    Auch wenn deutlich zu erkennen
war, dass Aleksandr versuchte, den größten Teil der Schuld dem Kumpel seines
Bruders in die Schuhe zu schieben, war Hackenholt doch froh, den Deutschrussen
überhaupt zum Reden gebracht zu haben. Sergej würde dessen Aussage hoffentlich
widerlegen, sodass die Beamten Aleksandr mehr als bloße Beihilfe nachweisen
konnten.
    Hackenholt fühlte sich wie
gerädert, als er am Morgen ein paar Stunden später als gewöhnlich aufstand. So langsam war er verdammt urlaubsreif. Aber war er wirklich nur reif für den
Urlaub? Fühlte er sich im Moment nicht vielmehr generell leer und irgendwie
alt? Vielleicht nicht gerade alt, sondern eher überfordert?
    Das nächtliche Gespräch mit
Aleksandr Kusnezow steckte ihm noch in den Knochen. Natürlich wurde er in
seinem Kommissariat ständig mit Gewalttaten und getöteten Menschen konfrontiert,
doch bisher hatte er es noch nie mit einer Gruppe so junger und so
kaltschnäuziger Täter zu tun gehabt. Die Erbarmungslosigkeit und Gefühlskälte,
die Aleksandr an den Tag gelegt hatte, stellten eine neue Dimension dar.
Hackenholt hätte gerne mit Sophie darüber gesprochen und sich von ihr Trost
zusprechen lassen, doch sie hatte einen Termin mit einem Künstler, für den sie
einen Katalog übersetzen sollte.
    Missmutig machte sich der
Hauptkommissar nach einem kargen Frühstück auf den Weg ins Präsidium. Am Telefon
erfuhr er von dem Beamten, der seit dem Morgen zur vorschriftsmäßigen Bewachung
an Sergejs Bett postiert war, wie es Vater und Sohn während der Nacht ergangen
war. Herr Blinow atmete inzwischen wieder selbstständig, würde aber in eine
Spezialklinik verlegt werden, wo er noch mehrere Sauerstoffbehandlungen in der
Überdruckkammer über sich ergehen lassen musste. Sergej war in der Nacht
operiert worden und vor ein paar Stunden aus dem künstlichen Koma erwacht. Er
bekam starke Schmerzmittel, aber der Arzt hatte einer kurzen Befragung
zugestimmt. Hackenholt, der seinen Tag nach dem nächtlichen Gespräch mit
Aleksandr eigentlich anders geplant hatte, machte sich sofort auf den Weg ins
Klinikum.
    In der Schleuse zur
Verbrennungsstation musste er sich umziehen. Das war Vorschrift wegen der enorm
hohen Infektionsgefahr, die bei Brandwunden bestand. Ein Pfleger brachte ihn in
Sergejs Zimmer, vor dem der Beamte saß – auch er trug grüne Klinikkleidung. Der
Junge sah aufgedunsen aus, aber darauf hatte ihn der Pfleger vorbereitet.
Sergej hatte in den letzten Stunden viele Infusionen bekommen, sein Körper und
seine beiden Arme waren in dicke weiße Verbände gewickelt, sodass er dem
Michelin-Männchen ähnelte. Hackenholt zog einen Stuhl heran und setzte sich
neben den schwer verbrannten Jungen. Wegen der knapp bemessenen Besuchszeit
redete Hackenholt nicht

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