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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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ging die Haustür auf und Irina kam herausgelaufen. Sie trug enge
schwarze Röhrenjeans und modische Leo-Print-Ballerinas. Unter den Arm hatte sie
sich eine große schwarze Kunstledertasche geklemmt. Zielstrebig ging sie den
Fußweg entlang Richtung Bushaltestelle. Das durfte ja wohl nicht wahr sein!
Hackenholt hatte extra angerufen und ihren Besuch angekündigt. Schnell stieg er
aus und lief dem Mädchen hinterher. Als er nur noch wenige Schritte von Irina
entfernt war, rief er ihren Namen. Ruckartig fuhr sie herum.
    »Wohin gehst du? Wir möchten uns
gerne mit dir und deiner Mutter unterhalten. Es ist wichtig.«
    »Ich bin mit einer Freundin
verabredet«, antwortete das Mädchen trotzig.
    »Ich weiß, dass es für dich eine
schwierige Zeit ist, Irina, aber wir müssen mit dir reden. Aleksandr Kusnezow
und dein Bruder haben uns einiges erzählt, und dazu möchten wir von dir noch
eine Bestätigung haben.«
    Die Worte verfehlten ihre
Wirkung nicht. Bei der Erwähnung von Aleksandr war sie bleich und kurz darauf
feuerrot geworden. Ohne dem Hauptkommissar eine Antwort zu geben, drehte sie
sich mit gesenktem Kopf um und ging zum Haus zurück. Hackenholt und Baumann
folgten ihr.
    »Mama?«, rief das Mädchen,
sobald sie die Wohnungstür aufgesperrt hatte. »Die Leute von der Polizei sind
da.«
    Frau Blinow steckte den Kopf aus
der Küchentür. Sie musterte ihre Tochter eingehend. »Wo kommst du jetzt her?
Ich habe dir doch verboten wegzugehen!« Ihr Ton war nicht sonderlich
freundlich. Rasch trocknete sie sich die Hände an einem Lappen ab. »Kommen Sie
ins Wohnzimmer«, sagte sie an die Beamten gewandt.
    Hackenholt ließ den drei Frauen
den Vortritt. Er wollte sich so weit wie möglich im Hintergrund halten. Baumann
sollte das Gespräch führen, doch Frau Blinow machte ihm einen Strich durch die
Rechnung. Sie warf der jungen Polizistin einen abschätzigen Blick zu und
schaute dann demonstrativ Hackenholt an.
    »Also, was wollen Sie wissen?
Sie haben am Telefon gesagt, es geht um Irinas Nachhilfelehrer.«
    Hackenholt schaltete sein
Diktiergerät ein und belehrte Mutter und Tochter über ihr
Zeugnisverweigerungsrecht.
    »Wir haben ja nichts getan«,
erwiderte die Mutter im Brustton der Überzeugung.
    »Jonas Petzold wurde ermordet,
Frau Blinow. Er wurde totgeprügelt, seine Leiche zerstückelt, in Blumenkübel
einzementiert und anschließend in den Wöhrder See geworfen.«
    Frau Blinow machte ein
schockiertes Gesicht, sah dann zu Irina und sagte: »Davon hast du mir ja gar
nichts erzählt.«
    Ihre Tochter blickte stumm zu
Boden. Sie hatte auf die Nachricht keine Reaktion gezeigt.
    Als Hackenholt Frau Blinow über
die bisherigen Ermittlungsergebnissen ins Bild setzte, schoss sie wie von der
Tarantel gestochen vom Sofa auf. »Das ist eine Lüge! Sergej würde niemals bei
so etwas mitmachen. Außerdem kannte er den Nachhilfelehrer nicht einmal.«
    Hackenholt ging nicht darauf
ein, sondern sah Irina an. »Wie war das Verhältnis zwischen dir und Jonas?«
    Sie zuckte stumm mit den
Schultern. Ohne aufzuschauen, sagte sie nach einer Weile, als die Stille im
Raum drückend wurde: »Gut.«
    »Uns wurde erzählt, Jonas sei
zudringlich geworden.«
    Frau Blinow riss die Augen auf
und sah zwischen Hackenholt und ihrer Tochter hin und her. Dann sagte sie etwas
auf Russisch, und die Tochter antwortete.
    Hackenholt seufzte. »Könnten Sie
sich bitte auf Deutsch unterhalten?«
    »Ich habe sie gefragt, ob das
stimmt, und sie hat Ja gesagt«, übersetzte die Mutter.
    »Kannst du uns mehr darüber
erzählen?«, bat Hackenholt.
    Irina schüttelte den Kopf. Die
Mutter redete auf sie ein.
    »Aleksandr hat uns gesagt,
Sergej und Boris wollten Jonas verprügeln, damit er dich in Ruhe lässt.«
    Zwischen Mutter und Tochter
entspann sich ein Wortgefecht – natürlich wieder auf Russisch. Warum hatte er
nur keinen Dolmetscher mitgenommen? Hackenholt ärgerte sich. Zumindest konnte
er die Tonbandaufzeichnung des Gesprächs im Nachhinein übersetzen lassen. Ein
kleiner Trost. Plötzlich begann Irina zu weinen. Frau Blinow holte aus und gab
ihr eine schallende Ohrfeige. Der Hauptkommissar ging dazwischen, zerrte sie
von der Tochter weg, hielt ihr eine Standpauke und schickte sie schließlich aus
dem Zimmer, da sie sich mehr und mehr in Rage redete.
    »Wos issnern bassierd, Irina?«
Baumann setzte sich zu dem Mädchen auf das Sofa.
    »Jonas hat mir Nachhilfe in
Mathe gegeben. Da war ich noch nie gut drin, aber dieses Jahr bin ich richtig
schlecht

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