Die dunkle Seite des Weiß
irgend so einem internen Verräterschnösel? Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?«
Mirellas Gesicht zuckte kurz, dann fing sie sich wieder. »Niemand redet hier von einer Überwachung. Ernesto kommt lediglich zu deiner Begleitung her. Zu unserer Begleitung. Drei Augenpaare sehen mehr als zwei.«
»Was für ein unfassbarer Blödsinn, das glaubst du doch selbst nicht!« Meine Stimme hallte laut durch die gewaltigen Rundbögen des Foyers, brach sich an den verrotteten Wänden und kehrte als schillerndes Echo zu mir zurück. Für einen Moment standen wir inmitten von Wortfetzen, die sich wie feine Häute über uns legten. Dann verklangen sie.
Mirella stemmte die Hände in die Seiten. In ihrem Blick lag dieses unterdrückte Glimmen, das ich in all den Jahren ohne sie schon fast vergessen hatte. »Was kann ich dafür, dass du so einen Mist gebaut hast?«, schrie sie mir entgegen.
»Zum hundertsten Mal«, brüllte ich zurück, »ich habe keinen Mist gebaut! Warum glaubt mir das eigentlich keiner?!«
Das akustische Chaos war unbeschreiblich. Echos hagelten wie spitzer Eisregen auf uns hinunter, kreuzten sich und brachen sich schließlich in den Ecken das Genick. Erst als der letzte Hall verklungen war, legte sich eine beklemmende Stille über das Foyer.
Und in diese Stille hinein sagte eine samtige Männerstimme: »Doch, das haben Sie. Sie haben sogar unfassbaren Mist gebaut, Jakob Roth. Und genau deshalb werden wir beide sehr viel Spaß miteinander haben.«
*
Ich fuhr herum. Am Türrahmen lehnte ein großer, schwarzhaariger Mann. Er trug einen dunklen Anzug, der ihm perfekt auf den Leib geschneidert war, und schien sich köstlich über die Show zu amüsieren, die Mirella und ich ihm eben geliefert hatten. Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Ich straffte mich. »Ernesto Sanchez, nehme ich an?«
Allein der Anblick dieses Fremden an der Tür führte dazu, dass ich mich merkwürdig fühlte. Eine leichte Übelkeit stieg in mir auf und plötzlich spürte ich meinen Herzschlag deutlicher als sonst. Ein feines Vibrieren lief über meine Haut und setzte sich bis in die Haarspitzen fort.
Ernesto Sanchez lächelte einnehmend und ließ dabei strahlend weiße Zähne aufblitzen. Seine Haut hatte die leichte natürliche Bräune südlicher Länder und verlieh ihm eine gesunde und vitale Ausstrahlung. »Mirella hat Ihnen also von mir erzählt.« Er stieß sich von der Wand ab und schlenderte auf uns zu. »Wunderbar, dann wissen Sie ja Bescheid. Das erspart uns langwierige Erklärungen.«
Bevor ich begriff, was geschah, hatte er Mirella den Arm um die Taille gelegt und sie an sich gezogen.
»Schön wenn Expartner so vertrauensvoll miteinander umgehen«, fuhr er fort und küsste Mirella flüchtig auf die Wange. »Alles andere macht es nur kompliziert. Und Sie haben ja wirklich genug Komplikationen hinter sich, nicht wahr?«
Seine Hände glitten an Mirellas Hüfte hinunter. Ich spürte, wie meine Kehle trocken wurde. Mirella presste die Lippen zusammen und wich meinem Blick aus. Doch sie löste sich einige Zentimeter aus der Umarmung.
Ich zwang mir ein Lächeln aufs Gesicht. »Ich weiß zwar nicht, inwieweit Sie unsere Ermittlungen unterstützen können. Aber wenn Sie sich nützlich machen wollen, halte ich Sie ganz sicher nicht davon ab. Irgendeinen Job für Anfänger gibt es immer.«
Ernesto Sanchez lachte amüsiert auf. »Oh, Sie werden dankbar sein, dass ich hier bin. Ich sorge dafür, dass Sie nicht wieder vom Weg abkommen. Und außerdem interessiert mich brennend, wie der ehemals beste Ermittler der Akademie sich bei seinem ersten Fall seit Jahren schlägt.« Er zwinkerte mir zu. »Herausforderungen sind doch etwas Wunderbares, oder nicht? Sehen Sie es sportlich.« Er griff nach Mirellas Hand. »Mi corazón, es wartet Arbeit auf uns.«
Ich schluckte schwer und folgte den Beiden in die Tiefen des verfallenen Sanatoriumgebäudes. Die Sohlen von Ernesto Sanchez’ blankgeputzten Lederschuhen hallten bei jedem seiner energischen Schritte auf den rissigen Böden, und ich hatte mehr als genug Zeit, seine hochgewachsene Gestalt zu betrachten. Er wirkte sportlich, durchtrainiert, bewegte sich in einer lässigen, fast katzenhaften Art – und war irgendwie zu perfekt für meinen Geschmack. Ich verstand die Welt nicht mehr. Seit wann stand Mirella auf Blender?
Ich räusperte mich und sofort verlangsamte Ernesto Sanchez seine Schritte, drehte sich um und blickte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Ich grinste
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