Die dunkle Seite
deaktivierte den Tisch, schloß die DeTechtei hinter sich ab und hastete nach unten. Möglicherweise würde Lubold im Vier Jahreszeiten etwas essen. Wenn er wenigstens zwei Stunden Aufenthalt eingeplant hatte, konnte sie es schaffen.
Sie stellte sich vor, wie es wäre, ihn im Vier Jahreszeiten abzufangen. Wahrscheinlich würde er nicht mal sonderlich beeindruckt sein.
Aber sie würde ihm Gelegenheit geben, sich zu wundern.
Blinzelnd, mit verheulten Augen, trat sie hinaus auf die Straße und tastete nach ihren Autoschlüsseln. Die Luft flimmerte. Der Himmel sah aus, als sei das Sonnenlicht über ihn ausgegossen worden.
Direkt vor ihr hielt ein Mannschaftswagen der Polizei. Uniformierte mit Maschinenpistolen sprangen heraus und kamen auf sie zu.
Noch ehe sie begriff, daß der Besuch ihr galt, sah sie sich eingekreist und gepackt. Jemand nahm ihr den Monitor ab. Sie wurde gegen den parkenden Wagen gedrückt, ein anderer schlug ihr die Beine auseinander, begann, sie routiniert abzutasten.
»Hört auf«, schrie Vera. »Das dürft ihr nicht!«
»Ruhig«, sagte einer der Männer. »Ganz ruhig.«
»Ihr macht einen Fehler. Ich will mit Arik Menemenci sprechen!
Laßt mich los, ihr ...«
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich die Türen eines zweiten Polizeifahrzeugs öffneten. Eine schwergewichtige Gestalt entstieg dem Beifahrersitz und kam zu ihr herüber.
»Gott sei Dank«, stöhnte Vera.
»Frau Gemini...« begann Menemenci förmlich.
»Ich muß mit Ihnen reden.« Plötzlich traten ihr wieder die Tränen in die Augen. Tränen der Erschöpfung, der Erleichterung und des Zorns. »Gott, bin ich froh, daß Sie hier sind.«
»Ja«, nickte Menemenci. »Ich auch. Frau Gemini, ich verhafte Sie wegen Falschaussage, Behinderung der Staatsgewalt und Beihilfe zum Mord an Ymir Solwegyn.«
Er drehte sich um und machte Platz für einen Mann mit schütterem Haar, der sie schlechtgelaunt anstarrte.
»Krantz, klären Sie Frau Gemini über ihre Rechte auf.«
13.33 Uhr. Präsidium
Menemenci kam in den fensterlosen Raum, in dem sie nun seit über einer Stunde saß. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich dicht vor Vera hin.
»Das wurde auch verdammt noch mal Zeit«, fuhr sie ihn an.
Menemenci sah ausdruckslos zurück.
»Haben Sie Ihren Anwalt angerufen?«
»Ja.«
»Gut. Nennen Sie mir den Namen Ihres Klienten.«
»Den kennen Sie doch schon«, sagte Vera ungeduldig. »Können wir nicht endlich ...«
»Ich will den Namen von Ihnen hören.«
Sie seufzte.
»Jens Lubold! Okay?«
»Ihr Klient ist Üskers Mörder«, sagte Menemenci. »Und der von Solwegyn. Er ist auch das, was wir einen Polizeifan nennen.«
»Ich weiß, was Polizeifans sind.«
»Das freut mich. Dann wissen Sie auch, daß Polizeifans es ebenso genießen, sich an Detektive zu hängen. Es muß Lubold großen Spaß bereitet haben, Ihnen bei der Arbeit über die Schulter zu sehen. Haben Sie ihn vielleicht sogar ein bißchen dazu ... animiert?«
Vera hob abwehrend die Hände. »Er hat mich genauso reingelegt wie Sie. Kommen Sie, Menemenci, Sie wollten, daß ich mit Ihnen zusammenarbeite. Jetzt will ich, also warum hören Sie mir nicht endlich zu?«
Er schwieg eine Weile.
»Ich habe Ihnen schon zweimal zugehört«, sagte er langsam. »Es ist nie sonderlich viel dabei rausgekommen.«
»Paragraph vier der Berufsordnung deutscher Detektive: Der Detektiv ist in Auftragssachen zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, soweit Vorschriften des herrschenden Strafrechts dem nicht entgegenstehen. Was verlangen Sie von mir? Daß ich die Schweigepflicht breche?«
»Ihr Verständnis von Schweigepflicht hat dazu beigetragen, daß ein Mensch getötet wurde und ein anderer verschwunden ist.«
»Was sagen Sie da?«
»Nicole Wüllenrath wird als vermißt gemeldet.«
»Oh nein«, stöhnte Vera.
»Ich kenne auch die anderen Paragraphen«, sagte Menemenci ruhig. »Danach besteht... wie war das noch? ... für den Detektiv keine Verpflichtung, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft Delikte im Sinne des StGB anzuzeigen, sofern nicht der Tatbestand einer Beistandsleistung erfüllt ist. Bei Mitteilungen an Beamte der Strafverfolgungsbehörden ist zu prüfen, ob die Folgen einer solchen Mitteilung im wohlverstandenen Interesse des Auftraggebers liegen.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte Vera mit unverhülltem Sarkasmus.
»Wozu halten Sie mich dann hier fest? Sie haben nicht eine Minute Zeit zu verlieren.«
»Der Tatbestand liegt vor.«
»Das ist doch lächerlich! Ich hätte
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