Die dunkle Seite
Nächte speiübel werden würde. Aber der Mann auf dem Fuß boden ihres Wohnzimmers, in ihrem Bett, unter ihrer Dusche, an ihrem Frühstückstisch blieb Simon Bathge. Er mochte sich bis zur Perfektion verstellt haben, er mochte hundertmal Lubold sein, aber seine Hände waren zärtlich gewesen, feinfühlig, gut zu ihr.
Der dritte Mann auf dem Foto ist nicht Simon Bathge. Er heißt Lubold.
Üsker und Marmann haben ihn damals als tot gemeldet, nachdem sie von einem irakischen Jäger angegriffen worden waren.
Wie hatte sie sich derart täuschen können?
Simon Bathge.
Jens Lubold.
Warum hatte sie die Narben nicht gesehen? Er mußte welche haben, dort, wo die Schüsse seine Bauchdecke durchschlagen hatten.
Sie versuchte ihn sich vorzustellen. Nackt.
Der Eindruck blieb vage.
Alles, was sie gefühlt hatte, an alles erinnerte sie sich mit überwältigender Lebendigkeit. Aber gesehen?
Was hatte sie tatsächlich gesehen im Halbdunkel und morgens früh, bevor er sich angekleidet hatte?
Es war ihr nicht aufgefallen. Er hatte sie seinen Bauch nicht sehen lassen, und sie hatte es nicht gemerkt.
Simon ... Lubold!
Veras Gedanken schichteten sich übereinander. Fest stand, daß Bathge... daß Lubold in München überhaupt niemanden treffen würde. Gut möglich, daß er unterwegs war, um Deutschland zu verlassen. Was immer seit Solwegyns Tod geschehen war, ob er sein Ziel erreicht, Marmann gefunden und den Schatz mit fast zehnjähriger Verspätung an sich gebracht oder einfach aufgegeben hatte, er drohte zu entwischen. Falls es ihm gelang, die Grenze zu passieren, war Jens Lubold für alle Zeiten verloren.
Aber noch hatte sie ihn am Haken.
In fieberhafter Eile flogen ihre Finger über die Kontrolleiste. Der Monitor baute die Deutschlandkarte auf, zeichnete glühendes Grün auf schwarzen Grund, einer Platine ähnlicher als einem von Menschen bewohnten Land.
Es war zwölf Uhr zwanzig. Der rote Punkt näherte sich Würzburg.
Was die Richtung betraf, hatte Lubold nicht gelogen. Warum hatte er ihr verraten, daß er über München fuhr? Er hätte ihr Gott weiß was erzählen können.
Während sie noch auf den Monitor starrte, erkannte sie mit einemmal die Wahrheit.
Diesmal konnte Vera nicht anders und lachte los.
Er wußte Bescheid!
Lubold wußte, daß in dem Feuerzeug ein Sender war. Er hatte es von Anfang an gewußt.
Ahnungslose Vera.
Dumme verliebte Vera.
Natürlich hatte er damit gerechnet, daß sie seine Position verfolgen würde. Er würde München erreichen, das Feuerzeug im Vier Jahreszeiten deponieren und weiterfahren. Bis sie registrierte, daß er nicht vorhatte, zurückzukehren, war er längst über alle Berge.
Schnell überschlug sie, wie lange er bis München brauchen würde.
Wenn er weiter in dem Tempo vorankam, blieben ihr drei Stunden.
Wie sollte sie in drei Stunden nach München gelangen?
Der Boxster lief Zweihundertsechzig, sofern der Verkehr ihn ließ.
Dann hatte Lubold dennoch mindestens zweieinhalb Stunden Vorsprung. Aber während der Fahrt konnte sie versuchen, Menemenci zu erreichen. Vielleicht gelang es der Polizei, Bathge ...
Lubold, verbesserte sie sich. Vielleicht gelang es ihnen, Lubold aufzuhalten oder einzukreisen.
Vergiß es. Die werden das auch ohne dich schaffen. Wozu ihm hinterherhetzen?
Im Grunde war es idiotisch.
Aber sie wollte ihm hinterherhetzen! Ihn fragen. Nicht nach dem Mord an Üsker und Solwegyn, sondern nach dem, was er ihr angetan hatte.
Plötzlich kam sie sich schäbig und lächerlich vor. Ein trauriger Witz von Weibchen. Dumm und aufgeblasen. Mit Ansprüchen, hui!
Eine Detektivin, Donnerwetter! Kleine Maus mit Arsch und Titten, stritzestratz mit großen Schritten, tippelt in die Welt hinein, möchte ernstgenommen sein.
Karls Spottgedicht vor dem Showdown in der Küche.
Na und? Stimmt doch!
Warum putzt du nicht und kochst und hältst die Fresse, Vera? Lies Arztromane, bevor noch jemand durch deine Schuld ums Leben kommt. Laß dich schön ficken, dafür bist du auf der Welt, nicht um dich zu verwirklichen. Schau, was dabei rauskommt! Sieh, was du getan hast! Was hast du getan? Soll ich dich mit dem Gesicht reinreiben, du blöde Hexe? Sieh mich an! Sieh mich an!!! Mach Essen!
Warum steht kein Essen auf dem Tisch? Was ist das für ein Scheiß‐
haushalt? Wofür bist du eigentlich gut?
Einen Moment lang starrte sie noch auf den Monitor, während sich ihre Augen mit Tränen der Wut füllten, endlich, endlich!!!
Dann nahm sie die portable Station,
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