Die dunkle Seite
damals nicht. Er und Marmann kannten sich von der Schule. Der Zufall wollte es, daß ich selber gerade dar‐
über nachdachte, mir ein paar weitere Jährchen bei der Legion zu gönnen, also schlug ich vor, zusammen hinzugehen.«
»Marmann kam etwas verspätet nach ...«
»Der verdammte Idiot!« entfuhr es Solwegyn. »Aber daß er ihnen entwischt ist, war schon eine stolze Leistung.«
»Wie hieß der Offizier?«
»Lubold.« Solwegyn zog eine Grimasse. »Jens Lubold. Er schnitt bei weitem am besten ab. In Frankreich hatte ich wenig mit ihm zu tun, aber die Ausbilder und später sein Vorgesetzter in Guayana erzählten mir, daß sie ihn für enorm gefährlich hielten. Sie fanden, er habe etwas ... Teuflisches an sich. Ein Verführer zum Bösen.«
»Wie romantisch. Ich dachte, Legionäre kann so schnell nichts schrecken?«
»Schrecken ist der falsche Ausdruck. Ich glaube, sie haben ihn bewundert, aber was ihnen Sorgen machte, war, daß sie ihn nicht verstanden.«
»Mhm. Und Marmann?«
»Ich fand ihn gar nicht so übel. Ein Glücksritter. Er hing viel mit Üsker herum. Sie waren anfangs in Dschibuti. Viele neue Legionäre kommen nach der Grundausbildung erst mal nach Dschibuti. Die Gegend ist extrem unwirtlich, die Hitze läßt einen bei lebendigem Leib verschrumpeln, bis man einer getrockneten Dattel gleicht. Bestens geeignet als Vorbereitung für einen Wüstenkrieg.«
»Kuwait.«
»Kuwait. Es hat der Legion nicht gefallen, ihre besten Leute an einen Abtrünnigen zu verlieren.«
»Sie meinen Fouk.«
»Said‐Asghar Fouk. Er hatte schon neunundachtzig prophezeit, Saddam werde die Kuwaitis um ihre Millionen prellen, die sie ihm für sein Gerangel mit Khomeini geliehen hatten. Anfang der Neunziger hagelte es Drohungen und Verwünschungen aus Bagdad. Tarik Asis machte sich nicht mal die Mühe der Verschlüsselung, er drohte offen mit dem Einmarsch. Aber was unternahm George Bush? Er fuhr fischen und tat, als wisse er von nichts. Fouk hat dar‐
über gelacht, er sagte: Dieser Cowboy wird Krieg führen, und er weiß es jetzt schon. Am 1. August, Sie werden sich erinnern, rollten irakische Panzer durch Kuwait City. Wenige Tage später begann Fouk, seine Legion zu rekrutieren. Er zielte auf die Spezialisten ab, die Saboteure und Scharfschützen der Compagnies de Combat, die Anti‐Terror‐Einheiten der Para‐Commandos, Luftfahrt‐ und Computertechniker, Kampftaucher, Logistiker et cetera. Während Bush öffentlich verkündete, er werde auf jede Intervention verzichten, bereitete sich Fouk auf den Golfkrieg vor.«
»Was hat er den Leuten geboten, was die Legion nicht bieten konnte?«
»Geld und Unmoral.«
»Unmoral?« fragte Vera erstaunt.
»Sie werden es vielleicht erstaunlich finden, aber die Legion ist moralisch. Sie glaubt an Dinge. Legionäre verdienen mehr als die meisten Soldaten anderer Armeen, aber nicht so viel, um jegliche Ideale über Bord zu werfen. ZERO bezahlte besser und verlangte keinen Idealismus. Lubold war sofort dabei, Marmann und Üsker folgten, dann Bathge. Den letzten Kontakt zu ihnen hatte ich, als Lubold versuchte, auch mich abzuwerben.«
»Sie sind geblieben?«
»Ja. Ich bin geblieben.«
»Warum?«
Solwegyn sah zu Boden und grinste schief.
»Ich bin ein alter Legionär, Madame. Ich bin zweiundfünfzig Jahre alt. Meine Vorstellungen davon, wie man sein Leben zu leben hat, sind alt. Meine Moral ist alt. Ich mache Geschäfte mit Sex und niederen Instinkten, aber für seelenlose Kohorten wie ZERO bin ich zu sentimental und war es damals schon. Kurz nach Ende des Golfkonflikts bin ich nach Köln zurückgekehrt.« Er zuckte entschuldigend die Achseln. »Verstehen Sie, ich war ein bißchen ... müde.«
Vera musterte ihn. Dann sah sie hoch zu Katya. Das Lächeln war von ihren Zügen verschwunden. Ihr Blick ruhte auf Solwegyn. Vera glaubte so etwas wie Zärtlichkeit darin zu entdecken. Schnell wandte sie ihre Augen wieder ab und nahm einen kleinen Schluck von ihrem Wein.
»Angenommen, wir würden die dreißigtausend zahlen ...« sagte sie zögernd. »Könnten Sie den Kontakt vermitteln?«
»Zu wem?« fragte Solwegyn.
Vera überlegte.
»Fürs erste zu mir. Dann zu einem Freund, der, glaube ich, das gleiche Interesse hat wie Sie.«
»Und welches wäre das?«
»Am Leben zu bleiben.«
Solwegyn schwieg. Plötzlich herrschte Totenstille.
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte er leise.
»Bis wann?« drängte Vera und sah, daß Katya ihr spöttisch mit dem Finger drohte. Solwegyn
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