Die dunkle Seite
was dann zu weiteren Morden führt, die ich nicht verhindern konnte, weil irgendein Arschloch nicht kooperieren will. – Entschuldigen Sie meine gewählte Ausdrucksweise. Kurz, Frau Gemini, ich bin sicher, Ihr Klient wäre imstande, Licht in die Angelegenheit um Üskers Ableben zu bringen, wenn wir ihn nur fragen könnten.«
»Ich kann ihn für Sie fragen.«
Menemencis Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Er sah aus, als wolle er gleich zuschnappen.
»Mir wäre es weitaus lieber, Sie verrieten mir seinen Namen«, sagte er.
»Das kann ich nicht.«
»Darf ich wissen, warum nicht?«
»Er ist mein Klient. Klienten haben Anspruch darauf, daß ihre Sachen vertraulich behandelt werden.«
Menemenci schien das zu durchdenken. Er legte die Stirn in Falten und schürzte die Lippen.
»Frau Gemini«, sagte er nach einer Weile. »Ich wurde vor einigen Tagen in eine Wohnung in der Lindenstraße gerufen. Das ist nicht weit von hier. Da saß ein Toter auf einem Stuhl und verfaulte. Ich bin mehrfach um diesen Toten herumgegangen und habe Dinge gesehen, von denen ich nie gedacht hätte, daß man sie einem Menschen antun kann. Heute weiß ich mehr. Um so weniger weiß ich über den Mörder. Vielleicht würden Sie eine andere Haltung einnehmen, wenn Sie auch um diesen Toten herumgegangen wären.
Ich möchte nicht, daß so etwas noch mal passiert. Und ich habe keinerlei Verständnis dafür, wenn Sie das anders sehen.«
»Ich sehe das nicht anders.«
»Offenbar doch.«
Sie empfand Zorn und zugleich Unsicherheit darüber, was sie tun sollte. Bathge vertraute ihr. Sie konnte seinen Namen unmöglich preisgeben, ohne daß Menemenci ihn in die Mangel nahm. Sie hatte kein Recht, ihn zu verraten.
Aber ebensowenig hatte sie das Recht, Informationen zurückzuhalten, die zur Ergreifung von Üskers Mörder führen konnten.
Menemenci musterte sie.
»Waren Sie nicht selber mal bei der Polizei?«
»Bis vor einigen Jahren, ja.«
»Das ist gut. Dann wissen Sie, wovon ich rede. Was würden Sie an meiner Stelle tun, wenn Sie hier säßen?«
»Nichts anderes als Sie.« Vera seufzte. »Ich weiß, das muß Ihnen alles ziemlich seltsam erscheinen. Ich kann und will Ihnen den Namen meines Klienten nicht verraten, das müssen Sie verstehen. Aber ich kann Ihnen sagen, daß der Mann auf dem Bild neben Üsker Andreas Marmann heißt.«
»Das weiß ich mittlerweile auch«, sagte Menemenci. »Von Roth, und der weiß es von Ihnen. War Ihr Klient mit Üsker bekannt?«
»Die Frage wird aus dem Protokoll gestrichen.«
»Was will er von Marmann? Warum sucht er ihn überhaupt?«
»Die Frage wird aus dem Protokoll gestrichen.«
»Hat er mit Ihnen über den Fall gesprochen?«
»Die Frage wird aus dem Protokoll gestrichen.«
Menemenci tippte sich an die Stirn. »Nicht aus meinem. Wissen Sie, wie Üsker gestorben ist?«
»Ja sicher«, sagte Vera, erstaunt über die Frage. Jeder, der Zeitung gelesen hatte, wußte, wie Üsker gestorben war. »Man hat ihn gefoltert.«
»Was glauben Sie, wer so etwas tut?«
Vera dachte nach.
»Ein Wahnsinniger«, sagte sie.
Menemenci nickte. Dann sagte er: »Was meinen Sie? Was könnte der Grund für ein Verbrechen dieser Art sein? Perversion?«
»Möglich.«
»Was noch?«
»Vielleicht ... Rache.« Vera tat, als müsse sie nachdenken. »Ja, es sieht ganz nach Rache aus.«
Wenigstens den Fingerzeig konnte sie Menemenci geben. Sie fühlte sich ein wenig besser. Die Kripo war nicht dumm. Menemenci würde schon von selber darauf kommen, wen er zu suchen hatte.
Der Kommissar verzog keine Miene.
»Wußten Sie, daß Üsker und Marmann bei der Fremdenlegion waren?« fragte er.
»Ja«, sagte Vera. »Herzlichen Glückwunsch. Sie sind genauso schlau wie ich.«
»Ich weiß nicht, wie schlau Sie sind. Ich weiß auch nicht, was man Ihnen erzählt hat.« Menemencis Stimme wurde leiser und eindringlicher. »Aber jetzt erzähle ich Ihnen was. Hören Sie gut zu. Ich dachte auch zuerst, wir hätten es mit einem Wahnsinnigen zu tun. Einem Sexualverbrecher. Ich bin unverändert der festen Überzeugung, daß er ein gewisses Vergnügen an seiner ... Arbeit gefunden hat. Aber mittlerweile weiß ich, daß keine sexuellen Handlungen vorgenommen wurden. Also was blieb? Rache, ja, gut möglich. Nur, bitte sagen Sie mir, warum hat der Mörder die Folter so lange rausgezogen?«
»Keine Ahnung. Um seine Rache auszukosten.«
»Er kostet also seine Rache aus, indem er Üsker quält und immer wieder Sorge trägt, daß er sich zwischendurch
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