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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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kostbaren Zeit widmen. Falls ich nicht ungelegen komme.«
    Vera schüttelte den Kopf.
    »Nicht im geringsten. Gehen wir in mein Büro.«
    »Das ist ein Vorzimmer«, sagte der Mann, während sie den Raum wechselten. »Hat Ihre Sekretärin frei?«
    »Mein Sekretär. Und er hat nicht frei, sondern gekündigt.« Sie zog eine resignierte Miene. »Männer haben Probleme, sich von einer Frau bezahlen zu lassen. Sie glauben dann, in ihrer Entwicklung sei irgendwas schiefgelaufen. Alle Welt predigt mir ständig, ich soll eine Frau einstellen, und der Spuk hätte ein Ende.«
    »Das wäre zu einfach«, sagte er.
    »Setzen Sie sich. Genau der Meinung bin ich auch.«
    Veras Besucher warf einen mißtrauischen Blick auf die Le Corbusier‐Sessel. Dann ließ er sich vorsichtig in einem nieder. Seine Körpermasse konturierte sich zu einem schwarzen Block von eleganter Sachlichkeit.
    »Bequem«, meinte er nicht sonderlich glücklich.
    Vera trat hinter den Schreibtisch und aktivierte mit schnellem Fingerspiel ein paar Funktionen. Ihre Augen glitten über den ihr zugewandten Rand der Schreibtischplatte. Ein schmales Display zeigte ihr an, daß die Firma aus dem Bergischen zweimal versucht hatte, sie zu erreichen. Sie stieß lautlose Verwünschungen aus. Es war schlecht, wenn sie nicht ständig erreichbar war. Es war aber auch schlecht, bei Gesprächen wie dem vorangegangenen vom Quengeln des Handys unterbrochen zu werden.
    Sie brauchte Unterstützung. Ob männlich, weiblich oder außerirdisch.
    Das Display wies einen weiteren Anruf aus. Keine Nachricht. Von einem Funktelefon, sagte der Computer. Sie tippte auf Bathge, deaktivierte das Programm und wandte sich zu dem Mann, dessen ausufernde Proportionen soeben mit ihrer Sitzgruppe verschmolzen waren.
    »Also«, sagte sie liebenswürdig. »Wo drückt der Schuh?«
    »Mein Name ist Arik Menemenci. Kriminalpolizei.« Er beugte sich vor und reichte ihr eine Visitenkarte. »Wir haben einen gemeinsamen Freund, mit dem ich mich heute vormittag angeregt unterhalten habe. Er rühmte Ihre kriminologischen Qualitäten und fand, es könne hilfreich sein, Sie aufzusuchen.«
    Vera erstarrte. Sie ahnte, von wem die Rede war.

    »Wissen Sie«, fuhr Menemenci fort, als rede er über seinen letzten Urlaub, »im Augenblick scheint alles wie verhext. Wenige Monate vor der Jahrtausendwende steht Köln auf der Rangliste der zehn kriminellsten Städte Europas auf Platz acht. Das macht mir Kummer. Die Art der Delikte macht mir Kummer. Hemmschwellen wie noch vor wenigen Jahren? Nicht die Spur! Haben Sie von dem Mordfall Üsker gehört?«
    »Der Türke, der gefoltert wurde. Natürlich. Wer hat das nicht?«
    »Mein Fall«, seufzte Menemenci. »Sehen Sie, und nun dachte ich, Sie könnten mir helfen, in dieser Sache weiterzukommen. Oder vielleicht einer Ihrer Klienten. Unser gemeinsamer Freund hat sich in einigen Punkten nicht klar ausgedrückt, aber es klang so, als wüß ten Sie mehr über den Fall als die Polizei.«
    »Sie reden ein bißchen um den heißen Brei herum«, sagte Vera.
    »Kann das sein?«
    Menemencis Augen verengten sich. Plötzlich wich alle Herzlichkeit aus seinen Zügen.
    »Das tue ich nie«, sagte er leise. »Ich plaudere nur gerne. So wie unser Freund Roth, von dem ich beispielsweise weiß, daß Sie die Kopie eines bestimmten Fotos besitzen.«
    »Was ich besitze, ist meine Sache«, sagte Vera schroff.
    Verdammt, dachte sie, was ist passiert? Warum hat Roth sich erwischen lassen?
    Menemenci schüttelte langsam den Kopf.
    »Ihr Auftraggeber sucht einen Mann, der Üsker gut gekannt hat. Und Üsker ist eben mal eine Woche tot. Ich glaube nicht an Zufälle. Sie?«
    »Mitunter schon.« Vera beugte sich vor und bemühte sich um einen versöhnlichen Gesichtsausdruck. »Hören Sie, es tut mir leid, wenn ich Tom in Schwierigkeiten gebracht habe. Es ...«
    »Tom?«
    »Thomas Roth.«
    »Oh ja. Natürlich.«

    »Es ist ein Zufall. Ich konnte nicht ahnen, daß er sich in einen akuten Fall einmischen würde. Er war selber von den Socken. Danach habe ich ihn um nichts mehr gebeten, weil er nichts mehr für mich getan hätte. Tom ist ehrenwert, das müssen Sie mir glauben. Seien Sie ihm nicht böse, das ist alles ein Mißverständnis.«
    Menemenci kratzte sich am Hinterkopf und setzte ein ratloses Gesicht auf.
    »Ja, das mag schon sein. Möglich, daß ich die Flöhe husten höre. Aber ich bin grundsätzlich jedem böse, der meine Ermittlungen sabotiert, und das hat Roth getan. Und stinksauer werde ich, wenn so

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