Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
Vom Netzwerk:
war älter als ich und ausgesprochen hübsch. Eine der wenigen Engländerinnen im Porchester. Sie hatte noch nie ein Wort mit mir gesprochen. Na, ich ja auch nicht mit ihr. Was sollte ich schon zu ihr sagen? »Wie war dein Wochenende?« »Wo geht’s denn hin im Sommerurlaub?« »Dein Vater ist so weit auf der Höhe?« Klar, rückblickend ist das seltsam, aber ich hatte überhaupt kein Interesse an der Normalität. Ich interessierte mich hauptsächlich für das Trinken und Rauchen, den Verlust der Unverlierbaren und diesen großen, muskulösen Kerl, der neben der Pflanze an der Rezeption stand.
    Ach ja?
    Ich sah die Reflektion der Frau in dem Riesenspiegel, der gegenüber dem Empfangstresen hing. Irgendwas gefiel mir nicht an der Art, wie sie mit ihm sprach. Was dachte die sich überhaupt?
    »Angezogen hab ich dich gar nicht erkannt«, sagte ich, als Pete mich dabei ertappte, wie ich aus der Küche lugte.
    »Ich hätte die Polizei rufen und dir eine scheuern sollen.«
    »Was?« Das kam von der hübschen Empfangsdame, die von unserem Gespräch berechtigterweise überrascht war.
    »Wir leben bloß im selben Haus«, informierte Pete seine Verehrerin. Dann wandte er sich an mich: »Wie ich sehe, hast du unseren gebürtigen Aussie wiederbelebt.« Er befühlte die feuchte Erde der Bambuspalme.
    »Hab halt ’nen grünen Daumen«, sagte ich. Er lächelte und schaute mich einen Tick zu lange an.
    Ich hechtete in die Küche zurück und schlug mir die Hand vor die Stirn. Grüner Daumen. Was für eine Vollidiotin war ich denn? Wieder spähte ich aus der Küche und sah gerade noch, wie Pete durch die Ecktür entschwand.
    ***
    Ich kehrte durch die Schwingtür in den Entspannungsbereich zurück. Die Frau, die das Sandwich bestellt hatte, war nicht nur wegen des verbrannten Toasts unglücklich, sondern auch wegen der Gerüchte.
    »Stimmt das?«, fragte sie mich, als ich mit meinem zweiten Versuch zurückkam. Jemand hatte ihr gesagt, dass die Dampfräume geschlossen würden – zu teuer, zu altmodisch, zu wenig Betrieb.
    »Kate, schließen wir?«, erkundigte ich mich bei der nackten Schrubberfrau.
    Sie erblasste und eilte zu Esther, die ebenfalls erblasste. Die beiden hatten niemals irgendwo anders gearbeitet, würden niemals irgendeine andere Stelle finden oder gar behalten, und so liefen sie im Schweinsgalopp durch die Tür in den Schwimmbad- und Sportstudiobereich, um herauszufinden, ob an dem Gerücht etwas Wahres sei. Es war etwas Wahres dran: Die Dampfräume würden bald schließen. Zwar würde die Geschäftsleitung alles versuchen, um andere Stellen im Schwimmbad- und Sportstudiobereich für uns zu finden, aber für die beiden alten Vogelscheuchen, deren Qualifikation sich auf das Schikanieren neuer Mitarbeiterinnen beschränkte, sah die Lage ziemlich düster aus.
    Ich verbrachte den Rest meiner Schicht damit, so zu tun, als ob ich die Saunen und Dampfräume im Untergeschoss reinigte. Diese Räume befanden sich in den Eingeweiden des Gebäudes. Man musste die Treppe neben dem Tauchbecken heruntergehen, vorbei an den Duschen und dem Massagebereich, und dann noch einmal um eine Ecke biegen. Ich saß eine halbe Ewigkeit in einer der kleinen, holzverkleideten Saunen und spürte, wann immer ich Wasser auf die zischenden Kohlen goss, wie alles Schlechte buchstäblich von mir abtropfte.
    Als ich meinen Saunagang beendet hatte, war die gesamte Belegschaft bereits nach Hause gegangen. Also schloss ich ab und steckte die Schlüssel, die man mir seit meiner Ernennung zur Angestellten der Woche anvertraut hatte, in die Innentasche meines Poloshirts.
    ***
    Als ich nach Hause kam, fielen all meine verzweifelten Verführungspläne für diesen Abend in sich zusammen. Zunächst einmal hatte ich nichts anzuziehen, denn Fliss hatte alle Klamotten zurückverlangt, die ich mir von ihr geliehen hatte. Mir war nichts als meine schäbige Jeans und das ärmellose Top geblieben, ferner zwei nicht zusammenpassende Laufschuhe, von denen der eine nicht mir gehörte und der andere einen Blutfleck aufzuweisen schien. Zweitens: Ich roch nicht gut. Wie oft ich mich auch wusch, der Geruch des besetzten Hauses, vor allem der Geruch meines Zimmers schien in meiner Haut förmlich festzusitzen. Drittens blieb mir keine Zeit zur Nagelpflege, und Fliss hatte stets betont, das scharfkantige, eingerissene Nägel ein sicheres Indiz für einen wild wuchernden Schamhaarbereich seien – etwas, das offenbar jeden Mann auf immer in die Flucht schlug. Viertens musste ich

Weitere Kostenlose Bücher