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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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mir allmählich eingestehen, dass Sex mit Francesco vermutlich weniger attraktiv war als Essengehen mit Francesco. Ich konnte mir ganz gut vorstellen, dass er »halb durchgebraten!« rufen würde, wenn serviert wurde. Zu allem Überfluss kam noch hinzu, dass ich stürzte, als ich den Laufschuh zurück auf den Boden stellen wollte.
    Ich war nicht etwa in Ohnmacht gefallen, sondern einfach der Länge nach hingeschlagen. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich in letzter Zeit wie ein Tollpatsch benahm. Erst heute Morgen war ich über einen nicht existierenden Spalt im Bürgersteig gestolpert. Jetzt lag ich auf den Bodendielen und wunderte mich über meine eigene Ungeschicklichkeit. Während ich noch verwundert zur Decke hochstarrte, fühlte ich mich auf einmal von einem so wohlig warmen Gefühl durchströmt, als ob ich wieder in der Sauna wäre. Ich glaubte schon verrückt zu werden, aber dann roch ich Rauch. Ich schnüffelte, setzte mich auf und schnüffelte noch einmal, stand auf und schnüffelte ein drittes Mal: Der Geruch schien nachzulassen. Ich kniete auf den Holzdielen nieder und senkte meine Nase auf den Boden: Rauch, keine Frage. Ich legte meine Hände auf die Dielen: warm, keine Frage. Dann legte ich mich flach auf den Bauch und presste meine Nase in den Spalt zwischen den Bodendielen.
    Aus dem Keller drang Rauch.

Teil zwei

13
    Zwei Meter tiefer saß, an einen Stuhl gefesselt, eine Frau. Der gelbe Polyesterstoff, mit dem sie geknebelt war, brannte. Die Frau hieß Celia. Sie war achtunddreißig Jahre alt und hatte zwei Kinder. Seit vier Wochen war sie in diesem Keller gefangen.
    ***
    Am Morgen ihrer Entführung hatte Celia nach ihrer wöchentlichen Nachtschicht in einem Hospiz an der Ladbroke Grove ihren Trainingsanzug angezogen und den Rucksack umgeschnallt. Später hatte sie an einer Tankstelle einen Zwischenstopp eingelegt, um Chips mit Salz-und-Essig-Geschmack und das neueste Doctor Who -Heft zu kaufen. Sie hatte die Sachen in ihrem Rucksack verstaut und die verbleibenden drei Kilometer ihres Heimwegs für ihr wöchentliches Power-Walking genutzt. Celia hatte gelächelt und sich gefreut, weil sie gleich ihre beiden kleinen Jungs sehen würde und sich gemütlich in ihr großes Ehebett legen konnte. Da würden sie zu viert mindestens eine Stunde lang kuscheln, ehe die übliche Frühstückshektik ausbräche. Sie freute sich darauf, ihrem Mann (den sie auch nach mehreren Ehejahren noch innig liebte) an der Tür hinterherzuwinken, die Jungs zur Schule zu bringen, eine zweite Tasse Kaffee zu trinken und sich im Bett die Aufzeichnung der gestrigen Folge von The Bill anzuschauen.
    Als sie am Royal vorbeiging, fiel ihr wieder einmal auf, wie sehr sie ihre Straße mochte. Sie hatten dem Trend widerstanden, in einen der zahllosen Londoner Vororte zu ziehen. Ihnen hatte die Geschäftigkeit der Innenstadt immer gefallen, und sie hatten nie den Wunsch verspürt, wegzuziehen. Positive Gedanken waren ihr nicht fremd, und so dankte sie im Stillen für das Glück, das ihr bislang widerfahren war: die unbeschwerte Kindheit mit den stets hilfsbereiten Eltern; eine Arbeit, die ihr etwas bedeutete, einen Ehemann, der sie immer noch für die schönste Frau der Welt hielt (und ihr das auch sagte!); die tolle Wohnung, der verschmuste Kater und zwei Kinder, die sie jeden Tag zum Lächeln brachten.
    Aber Celia erreichte ihre Wohnung nicht mehr. Weder konnte sie mit Sam und Johnny kuscheln, noch den Kaffee trinken, den Greg ihr immer pünktlich um acht Uhr ans Bett brachte. Sie hatte auch keine Gelegenheit mehr, den Kindern zum Frühstück Nutellatoast zu schmieren und Pausenbrote einzupacken. Es blieb ihr außerdem verwehrt, Greg zum Abschied zuzuwinken, die Kinder zur Schule zu bringen und sich die letzte Folge von The Bill anzuschauen.
    Stattdessen verlor sie ihren Schuh. Während die Flammen des brennenden Polyesterknebels auf ihre Wangen übergriffen und ihr Haar erfassten, wünschte sie aus tiefstem Herzen, dass all das niemals passiert wäre.

14
    Der kranke Mann fühlte sich sehr krank. Diesmal schien sich der Schmerz auf die Magengegend zu konzentrieren: ein scharfes Stechen. Zuerst hatte er gedacht, es sei vielleicht der Blinddarm (weil er kurzfristig vergessen hatte, dass man ihm den schon zwei Jahre zuvor entfernt hatte). Ob es vielleicht das Herz war? Nein, da kribbelte nichts. Er googelte mehrere andere Möglichkeiten und rief sogar die Auskunftsnummer der Krankenversicherung an, aber schließlich musste er sich

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