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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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eingestehen, dass es sich wahrscheinlich um psychosomatische Symptome handelte. Der Schmerz war eine Folge des Fehlers, den er gemacht hatte.
    Es war ein ziemlich großer Fehler gewesen, ein Mädel zu nehmen, das zu jemandem gehörte. Er hatte gedacht, dass er bei ihr Erleichterung finden würde, aber seit Kurzem fühlte er sich seltsam unerfüllt, wie oft er es auch mit ihr trieb. Und jetzt fühlte er sich auch noch krank.
    Er erinnerte sich daran, wie er als Junge krank gewesen war. Fünf Tage lang hatte er damals im Bett gelegen. Fünf Tage allein zu Haus, während seine Mutter sich irgendwo herumtrieb. Fünf Tage des Schwitzens und Weinens, fünf Tage mit dem Gefühl, am liebsten sterben zu wollen. Am fünften Tag hatte er sich ein bisschen besser gefühlt, und eines Nachmittags hatte er masturbiert. Auf dem Höhepunkt hatte er aus dem Fenster geschaut, und da hatte er sie gesehen: eine junge Joggerin, die vor seinem Fenster vorbeilief.
    Jahrelang hatte sie ihn begleitet, diese Joggerin auf dem Bürgersteig. Wenn er mit einem Mädchen knutschte, war sie immer an ihm vorbeigelaufen. Manchmal hatte er ihren ganzen Körper sehen können, manchmal nur ihr Gesicht oder ihre Shorts und die weißen Sportsöckchen.
    Aber nach einigen Jahren war sie verblasst, und er hatte jemanden finden müssen, der die Erinnerung an sie aufs Neue beschwor. Im Park vielleicht? Im Sportgeschäft? Auf Sluttysporty.com? Die Bilder schlanker Sportlichkeit kehrten mit jedem dieser Streifzüge zurück, und wenn er danach im Bett lag, fühlte er sich für einige Zeit besser – so wie damals, als sie vor dem Fenster seines zwölfjährigen Ichs vorbeigelaufen war.
    Als er nach London zog, merkte er bald, dass die Streifzüge nicht mehr funktionierten. Sie reichten einfach nicht mehr aus, wie eine Beziehung, die mit den Jahren schal geworden ist. Nachdem er wochenlang ohne Erfolg versucht hatte, zum Höhepunkt zu kommen, kam er zu dem Schluss, dass es nicht genügte, im Internet zu surfen. Er musste einen Einkauf tätigen.
    ***
    Er kannte sie, hatte ihr sogar ein paarmal zugelächelt. Er wusste, wo sie wohnte, was sie mittags gerne aß und dass sie jeden Dienstagmorgen um Viertel nach fünf von der Arbeit kam.
    Er hatte ihren Tagesablauf an zwei aufeinanderfolgenden Dienstagen beobachtet und es mehrmals auf die alte Tour probiert (mit dem ramponierten Vorhang als Maske), war aber nie richtig an sie herangekommen. An jenem Dienstag setzte er seinen sorgfältig geprobten Plan in die Tat um. Um Viertel nach fünf würde sie lächelnd die Anhöhe hinab- und am Hostel vorbeilaufen. Nach einem Schlag auf den Hinterkopf würde sie ein bisschen bluten. Wenn er sie vom Bürgersteig in das leer stehende Haus zerrte und durch den verlassenen Flur hinab in den Keller trüge, würde sie keine Ahnung haben, was passiert war.
    Dort endete er, der Plan, und anfangs war alles auch sehr gut verlaufen. Aber danach hatte er spontan entscheiden müssen, wie es weitergehen sollte.
    Sie war früher als erwartet zu Bewusstsein gekommen, aber darauf hatte er sich gut vorbereitet. Er trug seine Lieblingsmaske – eine Gimp-Maske aus straffem, schwarzem Leder –, Jeans und ein altes T-Shirt. Sein Mund glänzte feucht durch die entsprechende Öffnung in der maßgefertigten Maske. Große Augen starrten sie an. Riesige Augen. Er saß in der Ecke des Raums. Als sie aufwachte, war sie geknebelt und an einen Stuhl gefesselt. Er beobachtete ganz genau ihr Gesicht, als die Furcht sie packte. Ihre Augen waren groß und weiß, und auf ihrer Stirn zeichneten sich tiefe Falten ab – das kam von dem Druck ihrer erstickten Schreie. Speichel lief ihr aus dem Mund. Ihre Beine waren bald schon blutig gescheuert von all dem Zappeln, Zerren und Ziehen.
    Einige Stunden später berührte er sanft die Seite ihres Kopfes. Sie war jetzt nicht mehr ganz so starr. Die Schreie waren weiter nach unten gewandert und hämmerten in ihrem Bauch. Er setzte sich hin, ganz nervös, dass sein Plan trotz all der sorgfältigen Vorbereitungen nicht aufgehen könnte. Er holte ein paarmal tief Luft, atmete langsam ein und aus. Er öffnete den Reißverschluss seiner Hose und beobachtete, wie ihre Augen sich weiteten, als er seinen schlaffen Penis in die Hand nahm. Dann fing er an. Langsam … mach’s richtig … genau so! … rauf und runter, konzentrier dich, gleich, gleich. Sie wand sich, und das gefiel ihm. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf ihre Beine: Jogginghose, Söckchen … Erst jetzt fiel ihm auf,

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