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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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bei dessen Geburt sie gestorben war, lag auch Campions Mutter.
    Campion rührte sich nicht. Neben ihr, leicht verlegen, stand Lord Culloden. «Sollen wir nicht gehen?»
    Sie achtete nicht auf ihn, sondern blickte weiter auf die mit Sargtüchern verhängten Särge. Eines Tages, dachte sie, werde ich ihnen Gesellschaft leisten. Eines Tages wird auch mein Name in Stein in diesen Fußboden eingemeißelt, über die Jahre abgenutzt zu einer matten Inschrift. Hic jacet Lady Campion Culloden.
    Lord Culloden neben ihr wurde ungeduldig.
    Vielleicht, dachte sie, werde ich auch bei den Cullodens beerdigt und in einer fremden Kirche beigesetzt, wo mein rautenförmiges Wappenschild an der Wand des Mittelschiffs verblasst.
    Sie schaute auf. Der Bischof, der Dechant und der Priester blickten über den offenen Fußboden zu ihr herüber. Traurig lächelte sie den Bischof an. «Vielen Dank, Mylord.» Dann zog sie den Schleier über ihr Gesicht und wandte sich von der Krypta ab.
    Mit erhobenem Kopf trat sie aus der Kirche ins Sonnenlicht. Bis ihr Bruder zurückkehrte, war sie Lazen. Sie würde eine große Dame sein.

    Nach dem Tod des Grafen wurde es still im Schloss. Die Besucher reisten ab, und in die prächtigen Räume und langen Korridore kehrte Stille ein. Die Möbel in den Räumen des Grafen wurden mit Leintüchern verhängt. Seine Matratze und sein Bettzeug hatte man verbrannt. Campion brachte das Porträt ihrer Mutter in die lange Galerie.
    Sie war beschäftigt. Der Quartalstag rückte näher, und sie musste Briefe unterzeichnen und mit dem großen Siegel des Schlosses siegeln. Oft genug hatte sie das für ihren Vater erledigt, jetzt tat sie es für den sechsten Graf. Von Toby hörte sie nichts.
    Sie schrieb an Lord Paunceley, berief sich auf die lange Freundschaft mit ihrem Vater und bat Seine Lordschaft, Toby aus Frankreich nach Hause zu schicken. Es kam keine Antwort. Die Nachrichten aus der Vendée, wo Toby die Rebellen unterstützte, machten ihr Angst. Sie fürchtete die Post, die Londoner Zeitungen, Hufgeklapper auf dem Kies, das von einem Boten stammen konnte, der womöglich eine weitere Todesnachricht brachte.
    Von Christopher Skavadale hörte sie nichts. Nachts, wenn Lazen leer und verlassen schien, erinnerte sie sich an den Kuss, doch er war Teil einer fernen Vergangenheit, einer Zeit, da ihr Vater noch gelebt hatte, als Lazen noch eine Bedeutung hatte. Die Suche nach dem Wunder der Liebe erstickte unter Trauer und harter Arbeit, genau wie die Räume des Schlosses in der Trauerzeit von den schwarzen Tüchern verdüstert wurden.
    Lord Culloden reiste nach London. Er gab an, er werde in einem Monat zurückkehren. Die Hochzeit wurde verschoben.
    Immer noch stapelten sich die Hochzeitsgeschenke im Gelben Salon. Die Bewohner der Ortschaft hatten ihr ein herrliches, wunderschönes Gemälde vom Schloss geschenkt. Im Vordergrund des Bildes fuhr Campion mit ihrem Phaeton, vor den die stolzen Braunen gespannt waren, durch das Schlosstor. Das Gemälde sollte in dem großen Salon von Periton House aufgehängt werden. Campion ritt nicht mehr dorthin, um zu schauen, ob der Verputz an den Wänden trocknete.
    Sie richtete Hirondelle ab, ritt auf der Stute zu den einsamen Kalksteinhügeln nördlich von Lazen, galoppierte unter wolkenlosem Sommerhimmel dahin, und als die Feldfrüchte reiften und geerntet werden konnten, spürte sie allmählich, wie die alte Besessenheit zurückkehrte. Skavadale, Skavadale. Hirondelle erinnerte sie an Skavadale. Je mehr sie die Trauer überwand, desto häufiger tauchte das dunkle, schmale, lebendige Gesicht wieder auf und spukte durch ihre Tagträume. «Er kommt zu uns zurück, Hirondelle», sagte sie auf den einsamen Höhenzügen, wo der Sommerwind ihre Worte fortwehte.
    Abends saß sie oft in der langen Galerie und spielte auf dem Cembalo alte, halb vergessene Melodien. Manchmal betrachtete sie das Porträt der ersten Gräfin in hohem Alter und sah sich selbst, wie sie im Alter aussehen würde. Dann fragte sie sich, ob sie, wenn sie einst solch graues Haar und so einen steifen Rücken hätte, auf ein nutzloses, vergeudetes Leben zurückblicken würde. Mrs.   Hutchinson, Carline, Reverend Mounter, alle hielten sie für melancholisch. Sie wurde dünner, ihr hübsches Gesicht war überschattet. Briefe wurden an Onkel Achilles geschickt, Dr.   Fenner ins Schloss gerufen, doch Campion weigerte sich, ihn vorzulassen.
    Doch eines Morgens strahlte sie plötzlich wieder. Sie frühstückte und ließ Wirrell,

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