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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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das beste Zimmer bekomme!»
    «Selbstverständlich, Bürger.»
    «Und bestell mir einen cassoulet ! Du weißt, wie ich ihn gerne mag.»
    «Das weiß ich, Bürger.»
    Langsam schritt Marchenoir die Ehrengarde ab, fixierte jeden einzelnen Mann mit seinem Blick, als könnte er die Gedanken der Soldaten lesen. Am Ende der Reihe ging er, statt in die Mitte des Hofes zurückzukehren, unter dem steinernen Torbogen hindurch in die Hauptstraße von Auxigny. Der Colonel folgte ihm.
    Marchenoir schaute nach links und nach rechts. Die Straße war staubig und voller steinharter Furchen. Hunde stöberten im Rinnstein. Einer hob ein Bein am Freiheitsbaum – einer Stange, die am oberen Ende die rote Jakobinermütze trug –, den es jetzt in jeder französischen Ortschaft gab. Die Bewohner, die Marchenoir sahen, wandten den Kopf ab. Marchenoir schien es nicht zu bemerken.
    Er ging in Richtung Brücke und lehnte sich dort an die steinerne Brüstung, um in den seichten Bach zu schauen. Der Colonel war nervös. Die Revolution war zweifellos großartig und hatte ohne Frage Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gebracht, doch das bedeutete nicht, dass Mitglieder des Sicherheitsausschusses sicher waren, wenn sie sich unter ihren Mitbürgern bewegten.
    Marchenoir wies den Fluss hinunter, wo einige niedrige Hütten aus den schlammigen Ufern zu wachsen schienen. «Mein Zuhause, Colonel.»
    «Ja, Bürger.»
    Marchenoir nickte. «Eines Tages wird diese Hütte eine Gedenkstätte sein. Die Franzosen werden viele Meilen reisen, um sie zu besuchen. Versailles wird vergessen sein, Colonel, doch an diese Hütte werden sie sich erinnern! Als Beweis dafür, dass die Macht dem Volk gehört, und nicht den verdammten Aristokraten.» Er zeigte weiter in die Ferne, wo in einem Einschnitt in der Hügelkette ein tiefes, schattiges Tal zu sehen war, in dem weit weg in der Düsternis der Abenddämmerung ein prächtiges, weißes Gebäude stand. «Das Château d’Auxigny, Colonel.» Er schüttelte den Kopf. «Wenn sie vom Schloss losgeritten sind, haben sie eine Trompete geblasen, um uns anzukündigen, dass die Herrschaften kamen und es Zeit wurde, uns wie Vieh im Dreck auf die Knie zu werfen und den Kopf zu senken, damit wir bloß keinen Blick auf die Töchter von Auxigny warfen.» Er nahm den Hut vom Kopf und machte eine spöttische Verbeugung in Richtung Schloss. «Die Töchter von Auxigny! Wusstest du, Colonel, dass die alte Gräfin die Gewohnheit hatte, Diener in ihr Zimmer kommen zu lassen, während sie badete? Sie war nackt, und die Diener mussten Brennholz hereinbringen. Weißt du, warum?»
    Der Colonel schüttelte den Kopf. «Nein, Bürger.»
    «Weil ein Diener kein menschliches Wesen war! Es machte ihr nichts, wenn ihr Schoßhündchen sie im Bad sah, warum also nicht auch ein Diener? In ihren Augen war es dasselbe.» Er lächelte bitter. «Es heißt, sie war hässlich wie die Sünde, deswegen hat ihr verrückter Ehemann sich sein gottverdammtes Vergnügen woanders geholt.» Er starrte in das ferne Tal, dann winkte er mit seinem Hut der schiefen Hütte zu, in der er aufgewachsen war. «Siehst du das Haus, Colonel?»
    «Ja, Bürger.»
    «Auf dieses Haus wurden Steuern erhoben. Wir haben Steuern gezahlt! Wir hatten nichts, aber wir haben Steuern gezahlt! Und siehst du das Haus?»
    Der Colonel schaute auf das Schloss. «Ich sehe es, Bürger.»
    «Sie haben keine Steuern gezahlt! Sie waren Adlige!» Er spuckte über die Brüstung. «Aber ich habe dafür gesorgt, dass der letzte Duc d’Auxigny in den Sack geniest hat. Jawohl, so wahr ich hier stehe.» Er lachte bei sich. «Meine Mutter starb auf einer primitiven Bettstatt, aber ich habe ihn unter das Fallbeil gelegt!»
    Der Colonel hatte gehört, dass die Familie d’Auxigny Marchenoir aus seinem Dreckloch geholt, sein Talent erkannt hatte und für seine Ausbildung zum Priester aufgekommen war. Doch dies schien nicht der rechte Augenblick zu sein, um Marchenoir zu fragen, ob an der Geschichte etwas dran sei. Ganz zu schweigen von dem anderen Klatsch, der den Bürger Bertrand Marchenoir, Volkstribun, noch enger mit dem prächtigen Schloss verband, das in dem einsamen Tal stand. Niemand würde es wagen, das Gerücht laut auszusprechen, dass die Stadthure den Bastard des duc fou geboren hatte.
    Marchenoir setzte seinen Hut mit der aufgestülpten Krempe auf. Eine grüne Feder steckte in der unvermeidlichen Rosette in den Farben der Trikolore. «Wie heißt du, Colonel?»
    «Tours, Bürger.»
    «Ah! Du bist

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