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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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der Mann, der Le Revenant erwischt hat!»
    «In der Tat, Bürger.»
    Marchenoir führte den Colonel zum Gasthaus. «Du hast dich sehr verdient gemacht, Colonel, und morgen wirst du dich wieder verdient machen!»
    Tours war hierherbefohlen worden, doch er wusste weder, warum sie hier waren, noch, was von seinem Regiment erwartet wurde. Zu fragen hieß, Missfallen zu erregen, und Missfallen zu erregen hieß, den Tod zu riskieren, und kein Mann war so freizügig mit dem Tod wie Bürger Marchenoir.
    Mit Abneigung starrte Marchenoir auf die Ortschaft. «Morgen, Colonel, gehorchst du meinen Befehlen. Morgen Abend, in der Abenddämmerung, umstellst du mit deinen Leuten das Schloss. Was darin geschieht, geht dich nichts an, und sobald die Nacht vorbei ist, Colonel, wirst du vergessen, dass es je geschehen ist.»
    «Vergessen, Bürger?»
    «Du wirst es vergessen, Colonel, denn manches Wissen kann gefährliches Wissen sein. Du wirst mir vertrauen müssen.»
    Tours nickte. «Ja, Bürger.»
    Marchenoir schaute zum Gasthaus hinauf. Sein massiges Gesicht, das seinen Feinden Angst einjagte, verzog sich plötzlich zu einem Lächeln. «Die Dinge ändern sich, Colonel! Es gab eine Zeit, da haben sie mit Steinen nach mir geworfen, um mich von hier fernzuhalten.»
    Der Wirt brachte den cassoulet in Bürger Marchenoirs Zimmer, tischte den besten Wein auf, und sobald er den Tisch mit dem besten Porzellan gedeckt und die hohen Kerzen angezündet hatte, wartete er nervös dem wichtigen Mann persönlich auf. Mit Erleichterung vernahm der Gastwirt, dass das Essen zufriedenstellend war. Es wurde hungrig hinuntergeschlungen und erntete sogar ein anerkennendes Nicken von Bürger Marchenoir, als er den leeren Teller von sich schob. «Trag das ab.» Der Wirt näherte sich ihm unterwürfig, und Marchenoir betrachtete den Mann. «Erinnerst du dich an mich, Jules?»
    «Selbstverständlich, Bürger.» Der Wirt war nervös. «Mit Stolz, natürlich, Bürger.»
    «Ah! Stolz! Eine gefährliche Regung, Bürger.»
    Der Wirt wurde blass. «Stolz auf dich, Bürger.»
    «Selbstverständlich, selbstverständlich.» Marchenoir beugte sich vor und zündete sich an einer hohen Kerze eine Zigarre an. «Erinnerst du dich, dass dein Vater mich nicht hier reingelassen hat, he?»
    «Mein Vater war sich selbst der schlimmste Feind, Bürger.»
    «Wie wahr, Jules, wie ausgesprochen wahr. Er war allerdings doch froh, dass meine Mutter hier war, was? Er hat seinen Anteil kassiert, ja?» Marchenoir lachte. «Aber mich nicht. Mich wollte er hier nicht.» Er sah sich in dem behaglichen Zimmer mit dem hohen, mit Vorhängen versehenen Bett um, seinen zwei Fenstern, die nach Osten auf die Berge hinausgingen, und seinem großen Feuer. «Hat meine Mutter in diesem Raum gearbeitet, Jules?»
    «Das weiß ich nicht, Bürger.» Der Wirt schob sich zur Tür, doch Marchenoir winkte ihm, er möge bleiben.
    «Glaubst du, sie hat ihre Livres hier verdient? Bis dein Vater sie rausgeworfen hat, weil er eine hübschere Hure fand, ja?» Er starrte den verängstigten Gastwirt an. «Hast du heutzutage eine Hure im Gasthaus, Jules?»
    «Nein, Bürger.» Der Wirt lächelte verunsichert. «Apfelkuchen, Bürger? Oder Haferpflaumen? Die Haferpflaumen sind dieses Jahr besonders gut!»
    Marchenoirs Augen waren kalt wie der Tod. «Haferpflaumen, Jules? Haferpflaumen?» Er blies dem Wirt Rauch ins Gesicht und lehnte sich zurück. «Ich habe beim Reinkommen einen Blick in deine Schankstube geworfen, Jules. Du hast viel zu tun!»
    «In der Tat, Bürger.»
    «Und an den Tischen hat eine junge Hure bedient, Jules. Grüner Rock und weiße Bluse. Ganz entzückend, fand ich. Hast du in deiner Freude, mich wiederzusehen, vergessen, dass es sie gibt?»
    Der Wirt zögerte unmerklich, als er die Beschreibung seiner Tochter hörte, doch es gelang ihm, seine Bestürzung zu verbergen. Er lächelte schmeichlerisch. «Weiße Bluse? Grüner Rock? Ja, Bürger, die kenne ich.»
    «Sie kann mir noch zwei Flaschen Wein bringen.» Er winkte den Wirt hinaus.
    Als der Mann gegangen war, stand Marchenoir auf, lockerte sein Korsett und trat ans Fenster. Es war eine klare Nacht, die Sterne strahlten hell über Auxigny. Über den Hügeln stieg der Sichelmond auf und tauchte den Fluss in silbernes Licht.
    Sein Bursche hatte das kleine, goldgerahmte Porträt von Lady Campion Lazender auf den Tisch am Fenster gestellt. Marchenoir nahm es zur Hand und starrte wie besessen auf die außerordentlich schöne junge Frau. Es war schwer

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