Die dunklen Engel (German Edition)
ich wünschte, Toby wäre nicht in Frankreich.»
Er zuckte die Achseln. «Er wäre kein rechter Mann, wenn er nicht das Abenteuer suchen würde.»
«Nein, Vater, vermutlich nicht.»
Hufgeklapper und Räder knirschten über den Kies, und ihr Vater drehte mühsam den Kopf, um die Pferde anzuschauen, die unter seinem Fenster stehen blieben. «Sie sehen gut aus.»
«Wunderbar», sagte sie begeistert.
Die Braunen waren ihre ganze Freude. Das gut zusammenpassende Gespann war einer Kutsche vorgespannt, die sie für sich ausgesucht hatte. Eine Kutsche, die ihr Vater leichtsinnig und gefährlich fand und den willkommenen Beweis dafür, dass seine schöne Tochter doch nicht durch und durch vernünftig, nüchtern und pflichtbewusst war.
Sie hatte sich einen Phaeton gekauft.
Nicht irgendeinen Phaeton, sondern einen der höchsten und schnellsten Phaetons im ganzen Land. Die Braunen waren genauso feurig wie die Kutsche selbst, und sooft die Equipage auf dem Vorhof vorgefahren wurde, empfand der Graf einen Stich der Angst um seine Tochter.
Der Phaeton, dachte er, kann doch kaum mehr wiegen als sie! Er hatte angeordnet, dass über beiden Achsen Ballast angebracht wurde, doch das fragile Konstrukt aus Eisen, Leder und Holz bereitete ihm immer noch Sorge.
Er sah sie von seinem Kissen aus an. «Simon hat mir gesagt, dass du den Ballast von den Achsen genommen hast.»
«Ein bisschen.»
«Ein bisschen!» Er lachte. «Ich weiß nicht, warum du nicht gleich verdammte Federn dranklebst und versuchst zu fliegen.»
«Vielleicht mache ich das.» Sie gab ihm einen Kuss. «Wir sehen uns zur Mittagszeit.»
«Fahr langsam.»
«Mache ich doch immer.»
«Lügnerin.» Er lächelte sie an.
An diesem Morgen fuhr sie nach Millett’s End, einem abgelegenen Dorf, das verloren im südlichen Heideland lag. Sie unternahm alle vierzehn Tage eine Fahrt dorthin. Die meisten Dorfbewohner waren Pächter oder ehemalige Bedienstete von Lazen, der Vikar wurde vom Schloss bestellt, der Weiler war genauso Teil des Besitzes wie die größere, nähere, reichere Ortschaft zu Füßen des Schlosses. Campion unternahm die Fahrt, weil sie zu ihren Pflichten gehörte, doch sie musste sich eingestehen, dass sie es genoss, die Braunen auf der hochgelegenen, geraden Straße über das Heideland laufen zu lassen.
Nicht dass sie an diesem Tag schnell würde fahren können. Der Frost hatte die Straße gefährlich hart gefurcht, doch sobald sie auf der Heide war, konnte sie die Braunen auf die Wiese lenken und einfach laufen lassen.
Simon Burroughs rief von der Tür zu den Ställen: «Wünschen Sie Gesellschaft?»
«Nein!» Sie lächelte ihn an. Manchmal begleitete ein Stallbursche sie auf einem gesattelten Pferd, doch die Stallburschen hatten die Anweisung, das Tempo langsam zu halten. Heute, an diesem frischen, kalten Tag, wollte Campion allein sein.
Die Räder verschwammen, als die Braunen die lange, kurvige Einfahrt hinuntertrabten und die kleine Brücke über den Wasserlauf, der den Zierteich speiste, überquerten. Campion dachte daran, dass sie hier den Zigeuner zum ersten Mal gesehen hatte, dann drängte sie den Gedanken energisch beiseite, ratterte zwischen den Torhäusern hindurch und nahm die kopfsteingepflasterte Straße, die zum Marktplatz von Lazen führte.
Sie hob ihre behandschuhte Hand zu denen, die sie grüßten, rief Mrs. Swan, die ihr Cottage ausfegte, einen Gruß zu, und tat, als bemerkte sie den Ruck nicht, als zwei Kinder hinten auf die Ablage sprangen. Nur zwei, lautete die Regel, und nur bis zur Mühlenbrücke, doch ein rechter Spaß war es nur, wenn sie so tat, als bemerkte sie es nicht.
Als sie vor der Markthalle vorbeifuhr, ließ sie die Pferde schneller laufen. Sie hatte Simon Stepper gesehen, den Buchhändler, der fast nur von Geschäften mit dem Schloss lebte. Gerade wickelte er sich in der Tür zu seinem Laden einen Schal um den Hals. Er war ein kluger Mann, doch fing er einmal an zu reden, fand er schier kein Ende mehr. Sie schaute in die andere Richtung und lachte, als ein Mann, der neben einem Cottage Holzscheite aufschichtete, ihr mit einer Geste zu verstehen gab, noch schneller zu fahren. Dann blieb Simon Stepper zurück, und der Phaeton, dessen Schatten von Cottage zu Cottage sprang, verlangsamte sein Tempo, als sie sich der Mühlenbrücke näherten. Sie hörte, wie die Kinder lachend und schreiend absprangen.
Das Wasser stand hoch, glitzernd lief es aus dem Mühlenteich. Eine steife Brise trieb den Rauch aus dem
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