Die dunklen Engel (German Edition)
um und machte einen unbeholfenen Knicks.
Er lächelte. «Es geht Ihnen gut?»
«In der Tat, Sir. Und selbst?»
«Nie besser, Mrs. Pail.» Er legte das Buch auf den Tisch. «Es scheint alles zu florieren?»
«Es floriert, ja, das sollte es wohl auch besser», sagte sie grimmig, dann lächelte sie und nickte, als Larke ihr ein Glas Wein einschenkte.
Er prostete ihr zu. «Was höre ich da über eine französische Comtesse im Haus?»
«Gütiger Himmel!» Mrs. Pail stieß ein schüchternes Lachen aus. «Die Tochter eines Spinettbauers aus Birmingham! Der Vater war ein reicher Mann, hat sie Französisch lernen lassen, aber jetzt ist er bankrott.» Mrs. Pail schüttelte ihren weißen, formlosen Kopf. «Nicht gerade eine Schönheit, ich habe sie aus Gefälligkeit genommen. Aber sie macht sich gut, quasselt bei der Arbeit auf Französisch. Wollen Sie sie sehen?»
Larke lächelte. «Nein. Aber eine glänzende Idee, sie als Comtesse auszugeben. Gratuliere.»
Mrs. Pail errötete vor Freude. «Sie sind zu freundlich, Sir, wirklich zu freundlich.»
«Bitte setzen Sie sich, Mrs. Pail.»
Valentine Larke war der Besitzer von Mrs. Pails Räumlichkeiten, doch das wussten nur sie, er und einige Auserwählte. Er besaß ein Dutzend solcher Etablissements in ganz London, Orte, wo die Gentry ihr Geld bei Hahnenkämpfen verlor, beim Kartenspiel, bei den Frauen oder beim Preisboxen. Seine Leidenschaft, ja, sein Bedürfnis nach Geheimhaltung war so groß, dass er darauf bestand, dass sie ihn in der Öffentlichkeit als einen weniger geschätzten Kunden behandeln musste. Er wartete, bis sie saß, dann setzte er sich ebenfalls. «Es tut mir leid, Ihnen den Abend mit Geschäften zu verderben, Mrs. Pail.»
Das teigige, gepuderte Gesicht verzog sich zu einem verbindlichen Lächeln. «Es ist mir stets ein Vergnügen, Mr. Larke.»
Er lächelte. «Ich halte Sie nicht lange auf. Ich möchte nur wissen, mit wie viel Sir Julius Lazender in Ihrer Schuld steht.»
Sie überlegte zwei Sekunden. «Wenn ich heute Abend nicht mitzähle, Mr. Larke, dann sind es neuntausendvierhundertundzweiundzwanzig Guineen.»
Er zog die Augenbrauen hoch. Das war eine gewaltige Summe, und doch wirkte er nicht unzufrieden. «Sie leihen ihm immer noch Geld?»
«Natürlich, Sir. Sie haben es mir doch gesagt.»
Larke nickte und trank einen Schluck Wein.
Abigail Pail beobachtete ihn, ohne etwas zu sagen. Sie wusste nicht, warum ihr Dienstherr sie angewiesen hatte, Sir Julius Lazender einen solch riesigen Schuldenberg anhäufen zu lassen, was ihm problemlos gelang. Für Abigail Pail war Sir Julius Lazender ein Vieh, ein Vieh mit einem Appetit, der ihn Nacht für Nacht wieder hierhertrieb. Er verlor an den Spieltischen, er betrank sich, und er ging nach oben in die luxuriös ausgestatteten Räume, und nie wurde er aufgefordert, einen Penny zu bezahlen. Selbst seine Spielschulden wurden vom Haus beglichen. Sir Julius Lazender hatte auf spezielle Anweisung von Valentine Larke in Londons exklusivstem und teuerstem Bordell alle Freiheiten.
Larke wusste, dass es noch nicht so weit war, dieser Freiheit ein Ende zu setzen. Die Wahl des richtigen Zeitpunkts war in dieser Angelegenheit außerordentlich wichtig. Er stellte sein Glas ab, legte die Fingerspitzen aneinander und lächelte die Frau an. «Sie werden Mr. d’Arblay aufsuchen und ihn in meinem Auftrag anweisen, eine Zahlungsaufforderung für zehntausend Guineen vorzubereiten. Aber sie ist nicht zuzustellen, haben Sie das verstanden?»
«Selbstverständlich, Sir.»
«Und Sir Julius darf unter keinen Umständen erfahren, dass diese Zahlungsaufforderung existiert. Er soll weiterhin hierherkommen, und Sie werden ihn weiterhin willkommen heißen. Falls Sie Geld brauchen, werden meine Bankiers Ihnen selbstverständlich gefällig sein.»
«Sie sind sehr freundlich, Mr. Larke.» Sie rümpfte missbilligend die Nase in dem weißen, dicklichen Gesicht.
Valentine Larke sah es und lächelte. «Beunruhigt Sie irgendetwas, meine liebe Mrs. Pail?»
«Nicht meine Aufgabe, beunruhigt zu sein, Sir.» Doch ihr Tonfall strafte ihre Worte Lügen. «Aber er wird uns noch zugrunde richten!»
«Ich versichere Ihnen, dass dem nicht so sein wird.» Larke lächelte.
«Allein diese Woche, Mr. Larke! Er hat ein Mädchen gebissen! Schrecklich, Mr. Larke! Ich kann doch ein verletztes Mädchen nicht arbeiten lassen!»
«Haben Sie es ihm auf die Rechnung gesetzt?»
«Selbstverständlich.»
«Und das
Weitere Kostenlose Bücher