Die dunklen Engel (German Edition)
angegriffen hatte.
Schaudernd schloss sie die Vorhänge und wandte sich um. Heute Abend würde es Musik und Tanz geben, Lachen in der großen Halle und Kerzenschimmer auf der Holzvertäfelung. Und doch wusste sie, dass nichts von all dem für die zittrige, wunderbare, schuldbeladene Vorfreude verantwortlich war, die in ihren Augen funkelte, als sie den Raum verließ. Sie hatte sich mit Sorgfalt gekleidet, sie hatte sich schön gemacht, und obwohl sie es nicht einmal sich selbst eingestehen konnte, hatte sie es nicht für Lord Culloden getan. Sie ging auf die Musik zu.
6
Als sie die Treppe hinunterschritt, brandete Applaus auf, der lauter wurde, je mehr Menschen im Raum sich umwandten, um sie anzusehen. Die Begrüßung ließ sie schüchtern lächeln.
«Ich hoffe, Sie wissen, was für ein Glückspilz Sie sind, Mylord», sagte Achilles d’Auxigny zu Lord Culloden.
Lord Culloden lächelte. Sein Blick war fest auf Campion gerichtet. «Man gebe ihr Flügel, und sie ist ein Engel.»
Achilles hob seine gezupften Augenbrauen. «Die Kirchenväter haben behauptet, dass Engel einander nicht begatten, oder wie würden Sie als Engländer dazu sagen? Sie bumsen nicht?»
Lord Cullodens Gesicht verriet, dass er zutiefst schockiert war, als sei es gut und schön, wenn ein Mann so etwas im Regimentskasino der Royal Horse Guards sagte, doch recht ungehörig, eine solche Bemerkung über eine junge Frau wie Campion zu äußern. Frostig lächelte er Achilles an und trat dann mit ausgestreckten Armen vor. «Meine Teuerste?» Er verbeugte sich.
«Mylord.»
Die beiden – sie in weißem Crêpe mit blauen Bändern, geschmückt mit kostbaren Steinen, er in glänzender Uniform – waren ein so schöner Anblick, dass der Applaus noch lauter wurde. Er erreichte auch das Ohr des Earl of Lazen, dessen Zimmer Campion gerade verlassen hatte, und stolz lächelte er Reverend Horne Mounter an. «Ziemlich wilde Hummel, Mounter, was?»
«Zweifellos, Mylord. Ich nehme an, sie wird bald heiraten?»
«Das liegt an ihr, Mounter, ganz allein an ihr.» Der Tonfall des Grafen machte sehr deutlich, dass er nicht gedachte, die Heiratspläne seiner Tochter mit dem Pfarrer zu diskutieren. «Wären Sie so freundlich, mir noch ein Glas einzuschenken?»
Reverend Horne Mounter, der seine Zweifel hatte, ob der Graf überhaupt Frumenty trinken sollte, füllte zögernd das Glas und stellte es neben das Bett. Dann nahm er ein Buch mit Predigten aus der Hosentasche. «Soll ich Ihnen vorlesen, Mylord?»
Der Graf schien zu erschaudern. «Sparen Sie sich Ihre Stimme für morgen früh auf, Mounter.» Er trank den Frumenty in einem Schluck, seufzte und lächelte zufrieden, als das Getränk ihm den Bauch wärmte. «Stellen Sie mir den Krug hierher, und dann gehen Sie und amüsieren Sie sich, Mounter. Pastoren sollten sich an Weihnachten amüsieren! Ihre Frau Gemahlin ist auch gekommen?»
«Ja, Mylord.» Der Pfarrer lächelte eifrig. «Ich bin mir sicher, sie würde Ihnen sehr gerne guten Tag sagen, Eure Lordschaft.»
«Mir ist heute nicht nach Pastorenfrauen, Mounter. Grüßen Sie sie von mir.» Unbeholfen schenkte er sich noch ein Glas ein. «Jetzt gehen Sie schon, Mann!»
Nur wenige im Schloss würden so schnell betrunken sein wie der Earl of Lazen, doch kaum einer hatte so gute Gründe. Alkohol stand an diesem Abend allen reichlich zur Verfügung. Der Frumenty war eine Spezialität von Lazen, die tagelang im Brauhaus des Schlosses in großen Fässern gebraut worden war. Trotz der schlechten Ernte hatte das Schloss etliche Sack Weizen beiseitegestellt, der geschält und dann in Milch gekocht worden war. Wenn die Maische dick war, wurde sie mit Zucker vermischt, aufgekocht und nach dem Abkühlen großzügig mit Rum versetzt. In dem Rezept hieß es, es solle so viel Rum hinzugefügt werden, dass ein Mann allein vom Dampf betrunken werden könne, und dann sei die Menge des Rums noch einmal zu verdoppeln. Der Frumenty wurde gekühlt, und bevor er serviert wurde, wurde er noch einmal bis kurz vor den Siedepunkt erhitzt, mit Eidottern vermischt und in die Halle gebracht. Er wurde nur am Heiligabend getrunken, für jeden anderen Tag war er viel zu stark. Reverend Horne Mounter, der sich an diesem Abend ein paar Schlucke des schlosseigenen Sherrys erlaubte, glaubte insgeheim, der Frumenty sei eine Gärung des Teufels, wagte jedoch nicht, dies laut zu sagen, um nicht das Missfallen des Grafen zu erregen.
In der großen Halle sah Lord Culloden verwundert zu, wie das
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