Die dunklen Engel (German Edition)
Gebräu serviert wurde. Er hatte selbst eine Tasse genommen und langsam getrunken, doch die Pächter und Ortsbewohner tranken es wie Wasser. Er lächelte Campion an. «Wie lange werden sie sich aufrecht halten?»
«Lange genug. Sie haben es verdient.» Sie lächelte zu ihm auf. «Sie langweilen sich doch nicht?»
«Du lieber Gott, nein! Warum sollte ich mich langweilen?»
«Es ist kaum mit London zu vergleichen, Mylord.»
Er blickte auf die lärmende, jauchzende, trinkende Menge. «Ich feiere immer gerne Geburtstag.» Er lachte.
Die örtliche Gentry war gekommen, und Campion sah, dass sie sich an einem Ende der Halle hielt, während das gemeine Volk sich auf der anderen Seite zusammenscharte. Sie ging zu allen, begrüßte alte Freunde und Nachbarn und stellte den großen, blonden Kavalleriemajor an ihrer Seite vor. Wir benehmen uns schon so, als wären wir verheiratet, dachte sie. Die ganze Zeit hielt sie Ausschau nach einer großen, schwarzhaarigen Gestalt, doch der Zigeuner war nirgends zu sehen.
Hier wurde nicht wie in London nach der neuesten Mode getanzt, hier tanzte man altenglische Volkstänze, die allen Gästen bekannt waren – Tänze, die so alt waren wie Lazen selbst. Dem «Whirligig» folgte «Hit and Miss» und dann «Lady Lie Near Me». Das Kirchenorchester spielte schnell und fröhlich, und beim Tanzen vermischten sich die beiden Gruppen langsam miteinander. Ab und an bat Simon Stepper, der Buchhändler, der im Orchester die Flöte spielte, seine Mitspieler als Geste gegenüber der Gentry um ein Menuett.
Als Campion und Lord Culloden zu dieser Melodie tanzten, brandete wieder Applaus auf. Der Tanzboden schien sich für sie zu leeren.
Er tanzte gut, besser, als sie erwartet hatte. Er lächelte sie an. «Ihr Vater hat heute mit mir gesprochen.»
«Hat er das, Mylord?» Der Raum drehte sich um sie und verschwamm zu einem Wirbel aus glücklichen Gesichtern, Kerzen und dem Feuerschein auf der Wandtäfelung. Lord Culloden führte die formalen, langsamen Gesten mit Eleganz aus. Die Monate des bequemen Lebens in Lazen hatten, wie sie bemerkte, seinen Hals dicker werden lassen, sodass die Haut sich über seinem engen, goldverzierten Kragen ein wenig wölbte.
«Er wollte meinen Rat.»
Campion lächelte Sir George Perrott zu, der Mrs. Hutchinson aufs Parkett geführt hatte. Der Gute, dafür würde sie ihm unter dem Mistelstrauch einen Kuss geben. Den Zigeuner konnte sie nirgends entdecken. «Worüber, Mylord?»
«Ihren Cousin.»
«Du liebe Güte!», entfuhr es Campion. Sie lächelte den Müller an, der sich anmaßte, der Gentry anzugehören, und darauf bestanden hatte, dieses Menuett mit seiner Frau zu tanzen. Er war Campion grob in den Rücken gestoßen. «Über Julius? Was ist mit ihm?»
Als das Orchester einen durch den Frumenty ausgelösten Tempowechsel unternahm, runzelte Lord Culloden die Stirn. Er passte seine Schritte an. «Es scheint, er hat geschrieben und um Geld gebeten.» Um über dem Tumult aus Gesprächen und Gelächter vom unteren Ende der Halle verstanden zu werden, musste er laut sprechen. «Er ist hoch verschuldet!»
«Schon wieder?»
«Genau das hat Ihr Vater auch gesagt.»
Mit ausgesuchter Höflichkeit führte Onkel Achilles Lady Courthrops neunjährige Tochter über das Tanzparkett. Die einfachen Leute lachten über den seltsam ausstaffierten Franzosen. Campion merkte auch ihn für einen Kuss unter dem Mistelzweig vor.
Am oberen Ende der Halle wendete Lord Culloden, seine Füße vollführten die kleinen Schritte und Drehungen. «Es scheint, als habe er seine Zuwendung für die nächsten zehn Jahre verspielt. Ist das zu glauben? Zehn Jahre! Ich meine, ein Mann muss leben, aber kaum zehn Jahre auf einmal.» Er lächelte. Campion vermutete, dass sämtliche Gäste dieses Abends darauf warteten, dass sie Lord Culloden unter dem Mistelzweig küsste, und dachte, dass sie ungern einen Mann küssen würde, der einen Schnurrbart trug.
«Das überrascht mich kaum», sagte Campion.
Sie wollte nicht über Julius reden, gegen den sie eine starke Abneigung hegte. Er war der Sohn des jüngeren Bruders ihres Vaters. Dieser Onkel war im Krieg gegen die amerikanischen Kolonien gefallen und hatte, wie Campion wusste, den Ruf eines Lebemanns gehabt. Doch Julius schien seinen Vater noch zu übertreffen und war obendrein unglaublich faul. Als Campion sechzehn Jahre alt gewesen war und Julius zweiundzwanzig, war er im Stall über sie hergefallen, und obwohl es nicht so schrecklich gewesen war
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