Die dunklen Engel (German Edition)
nach Lazen gebracht, ein einhundertachtunddreißigteiliges Service aus Meißener Porzellan, dessen Glasur so hart und exquisit war, als käme es aus China. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. «Es ist viel zu großzügig.»
«Unsinn. Da ich die Absicht habe, mich eines Tages in deinem Haus zur Ruhe zu setzen, war es doch das wenigste, dass ich dafür sorge, dass du mir meine Mahlzeiten auf anständigem Porzellan servierst.»
Sie lachte. «Kein französisches Porzellan?»
«Meißener ist besser.» Ihr Onkel seufzte. «Ich erwarte jedoch einen Sèvres-Nachttopf in meinem Schlafzimmer.»
«Er sei dir gewährt.»
Am einen Ende des großen Tisches stand ein Korb, gefüllt mit scharlachroten und weißen Säbelquasten aus gedrehter Seide. Nach französischer Manier würden sie allen Männern geschenkt werden, die an der Hochzeit teilnahmen. Daneben, in einem zweiten Korb, lagen Fächer aus Elfenbein und Nottinghamer Spitze für die Frauen. Der Rest des Tisches war mit Porzellan, Silber, Gold, Gemälden und Schmuck überhäuft. Cartmel Scrimgeour hatte aus Lincoln’s Inn einen goldenen Korb geschickt, gefüllt mit goldenen und silbernen Früchten. Campion zeigte ihn freudig ihrem Onkel. «Ist das nicht großzügig?»
«Angesichts der Honorare, die er Lazen in Rechnung stellt, ist das nur wertloser Tand!»
«Onkel!»
Er lachte. «Natürlich ist es großzügig. Scrimgeour ist eines dieser seltenen Geschöpfe, ein ehrlicher und großzügiger Advokat. Was um alles in der Welt ist das?»
«Das» war ein mit Japanlack überzogener Handarbeitskorb, den Tante Lucretia, auch im Namen ihres Sohnes Sir Julius, als Geschenk geschickt hatte. Achilles hob den Deckel hoch und runzelte die Stirn über das Aufgebot farbiger Garne. «Hält sie dich für eine Nähmamsell?»
«Wenigstens hat sie daran gedacht.»
«Mein liebes Mädchen, sie vergisst nie! Sobald du und Toby sicher aus dem Weg seid, wird sie Herrin von Lazen sein, und dann möge Gott Lazen beistehen. Sie wird überall grüne Vorhänge aufhängen und Gemälde von kleinen, dicklichen Kindern. Grauenvoll. Toby und du habt im Interesse der Kunst die Pflicht zu überleben. Das gefällt mir.» Er hob zwischen den dazu passenden Kelchen eine Kristallkaraffe mit Silbereinfassung hoch.
«Die ist von Sir George Perrott. Er hat sich für das ärmliche Geschenk entschuldigt.»
«Ich mag Sir George», sagte Achilles. «Er ist so geradeheraus.» Mit einem Finger fuhr er über eine Marmorstatue von Ceres mit einem Erntekranz. «Wer hat das geschenkt?»
«Der Earl und die Countess of Fleet. Entfernte Verwandte.»
«Sie waren sicher froh, sie los zu sein. Mein Gott!» Das Letzte galt einem großen, düsteren Gemälde des heiligen Georg mit dem Drachen. Eine halbnackte Jungfrau, an einen Fels gekettet, reckte sich zur Freude der Betrachter nach vorne und entblößte dabei riesige weiße Brüste – ein Happen, den der heilige Georg dem Drachen mit seiner blutigen Lanze verwehrte.
Campion lachte. «Lord Paunceley.»
«Mein Gott! Das gereicht dir zur Ehre. Wahrscheinlich hat er es in irgendeinem vergessenen Zimmer seines Hauses aufgestöbert. Für ihn ist sie auch nicht nur annähernd nackt genug, er fände es viel interessanter, wenn der Drache an ihr knabbern würde. Was machst du damit? In den Stall hängen?»
«Und die Pferde in Angst und Schrecken versetzen?»
«Wohl wahr.» Onkel Achilles lachte. «Schreibt er deinem Vater immer noch?»
«Jeden Monat. Siehst du ihn gelegentlich?»
«Ich werde alle paar Wochen zu ihm vorgelassen, um meine unmaßgebliche Meinung über irgendeinen armen Emigranten zu äußern.» Er lächelte. «Ich nehme an, du wirst Lord Paunceley für diese Monstrosität danken müssen, aber schließlich ist er auch ein Monstrum.»
«Tatsächlich?»
«Oh, ja, ein Monstrum! Und ein äußerst hässliches Monstrum obendrein. Aber sehr klug.» Onkel Achilles ergriff eine Wedgewood-Tasse, Teil eines großen Jasperware-Service. «Von der Ortschaft bekommst du ein ziemlich gutes Gemälde.»
«Das darf ich eigentlich nicht wissen.»
«Na, jetzt weißt du es.» Mit einer Grimasse, die andeutete, englisches Porzellan sei der sorgfältigen Betrachtung durch einen Franzosen nicht wert, stellte er die Tasse ab. «Sie lassen Lazen für dich malen. Der Mann ist ziemlich gut. Ich habe ihm ein paar Vorschläge bezüglich der Technik gemacht.» Onkel Achilles lächelte sie an. «Dann bist du glücklich?»
«Ich habe mich damit abgefunden, Onkel.»
«So ist’s recht.
Weitere Kostenlose Bücher