Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
einem Nichts. Dadurch konnte man deutlich ihr rotgeschminktes Geschlecht sehen. Vor diesen Gästen würde sie keine Geheimnisse haben können.
Lord Marldon erhob sich geschmeidig von seinem Lager. Schweigend schlenderte er auf sie zu und lächelte sie an. Sein glitzernder Rock ließ einen breiten, blassen Streifen seines Oberkörpers sehen, und seine Hose, tief auf seinen Hüften sitzend, zeigte seinen muskulösen Bauch. Er hob ihre Fingerspitzen an die Lippen. Die Armreifen rutschten klimpernd zusammen.
«Meine Verlobte», verkündete Lord Marldon, hielt ihre Hand weiter erhoben und trat zur Seite.
Ein Pfeifen ertönte, gefolgt von einem Tumult von Jubel, Gelächter und frenetischem Applaus. Die Leute standen auf, um sie willkommen zu heißen. Clarissa errötete, hätte sich am liebsten in Alecs Arme geworfen und um seinen Schutz gebeten, aber das tat sie nicht. Sie hatte sich vorgenommen, sich auf ganzer Linie nach seinen Vorstellungen zu richten, wissend, dass er eigentlich das Feuer liebte. Aber diese kleine Geste des Trotzes, dachte sie, würde ihr heute Nacht vielleicht zugute kommen. Sie wollte Marldon nicht die Gelegenheit geben zu zeigen, wie gut er sie gegen ihren Willen im Griff hatte, nicht vor all diesen neugierigen Gästen.
Clarissa hielt ihre Hand hoch, während Lord Alec sie durch den Raum führte. Die Musiker begannen wieder zu spielen, eine leise, schwebende Melodie. Weihrauchfässer brannten, ließen kleine Rauchwölkchen aufsteigen, und die Luft war schwer von Düften wie Jasmin und Moschus. Als sie durch die Menge zogen, hielt Marldon hier und dort an, um ihr verschiedene Leute vorzustellen: den Marquis von Chouard, den Viscount Quagley, einen preußischen Grafen mit derart lüsternem Blick, dass sie sich seinen Namen beim besten Willen nicht merken konnte. Aber ihnen allen schenkte Clarissa ein anmutiges Lächeln.
Die meisten der Gäste waren Männer. Die zwei oder drei weiblichen Gäste waren an ihren samtenen Halbmasken zu erkennen, und die anderen anwesenden Frauen waren Dienstboten, die sie teils kannte, teils nicht. Sie kreisten mit Tabletts, auf denen Gläser standen, und waren wie Ladys gekleidet, abgesehen von den sehr ausladenden Ausschnitten und den sehr geschminkten Gesichtern.
Drei flache Stufen führten hinauf zu dem Podest.
«Wie sehr man mich beneidet», sagte Alec und sank auf die Couch nieder. «In dir habe ich eine Frau gefunden, eine Hure und lebenslangen Wohlstand.»
Marldon streckte seinen Arm aus, und Clarissa reichte ihm die Hand.
«Und ich?», erkundigte sie sich und ließ sich neben ihm auf der Felldecke nieder. «Was gewinne ich bei der ganzen Angelegenheit?»
«Die Befriedigung deiner Gelüste», antwortete er und zog sie liegend neben sich. «Was mehr könntest du dir wünschen? Ich kann dir zwar nicht garantieren, wie lange ich dir das bieten kann, im Moment jedoch gefällst du mir noch. Es ist dir bemerkenswert gut gelungen, dir meine Aufmerksamkeit zu erhalten.» Er streichelte sie im Nacken, mit einer federleichten Berührung, dann zog er spielerisch eine Locke aus ihrer kunstvollen Frisur. «Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Brautwerbung als etwas derart Angenehmes empfinden könnte.»
Clarissa kuschelte sich an ihn, versuchte sich zu zügeln, hatte aber gleichzeitig Lust auf ihn. Die Gäste schenkten ihnen kaum Aufmerksamkeit, da sie selbst inzwischen mit anderen Dingen beschäftigt waren. Auf einem Berg von Kissen thronte eine Kellnerin im kanariengelben Kleid mit gespreizten Beinen und einem Lächeln und schob langsam ihren Rock hoch, um die Männer um sie herum mit dem Anblick ihrer blauen Strümpfe zu locken. Ihre Zuschauer feuerten sie mit immer schnellerem Klatschen an, ihr Rufen und ihr derbes Gelächter übertönte die Musik. Trotzdem fühlte Clarissa sich noch äußerst verwundbar.
«Willst du deine Reize verstecken?», höhnte Marldon. Er fasste zwischen ihre Körper, um ihre nackten Brüste anzufassen. «Ein Anflug von Ehrbarkeit. Wie rührend.»
Clarissa rieb sich an ihm und spielte mit seinem Haar. Die Perlen auf seiner Jacke drückten sich gegen ihre Haut, kalt und hart. «Mylord, erzählt mir, was heute passieren wird», sagte sie. «Was erwartet Ihr von mir?»
«Geduld, mein Kind», sagte er. «Unter all den Dingen, die ich dir beigebracht habe, waren nur wenige echte Tugenden. Eine davon ist Geduld, und von dieser hätte ich nun wirklich vermutet, dass du sie gelernt hast.»
Er setzte sich hin, forderte Clarissa auf, es ihm
Weitere Kostenlose Bücher