Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
nämlich an ihr vor allem, dass sie sich von nichts so leicht schockieren oder abschrecken lässt.»
«Da hatten wir Glück», antwortete Pascale, spielte mit den Fingerspitzen im Wasser und wischte sie am Rock ihrer Schürze ab. «Sie musste nach Hause, um sich um ihre Familie zu kümmern. Ihre Mutter ist gestorben.»
Sie sah zu Clarissa auf, lächelte, und in ihren dunklen Augen funkelte schadenfrohe Erwartung. Sie wollte ihr wehtun, wollte sehen, wie nahe ihr Kittys Verlust ging, wie entsetzt sie wäre über das herzlose Entzücken, das sie dabei empfand.
Clarissa wandte sich ab von den allzu intimen Berührungen dieser Frau. Sie würde Pascales boshafte Gelüste nicht befriedigen können: Kittys Mutter war bereits seit langem tot. Die junge Zofe hatte gelogen, aus welchem Grund auch immer. Clarissa schüttelte das ab, wünschte Kitty im Stillen alles Gute für ihre Zukunft und sagte kein Wort darüber zu Pascale.
Die Französin stand auf und hob Clarissas Kinn an.
«Mademoiselle, schaut doch nicht so melancholisch», jammerte sie und hielt Clarissas unnahbaren Blick für Trauer. Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. «Es gibt so vieles, worüber Ihr glücklich sein könnt: ein Fest zu Euren Ehren, im Herbst eine Hochzeit, einen Ehemann, der –»
«Ach, halt den Mund», schnauzte Clarissa sie in einem kleinen Temperamentsausbruch an. «Lass mich in Ruhe.»
Sie hatte bislang kaum an die Hochzeitszeremonie gedacht, und daran erinnert zu werden war ihr äußerst unwillkommen. Wie stolz ihr Vater sein würde, wenn er sie zum Traualtar führen könnte, und wie elend er sich fühlen müsste, wenn er erführe, welch erbärmlichen Gelüsten sie und Marldon sich hingaben.
«Lass mich in Ruhe», wiederholte sie heftig, als sie sah, dass Pascale keinerlei Anstalten machte, ihr zu gehorchen.
«Ich muss Euch anziehen und Euch die Haare machen», antwortete das Mädchen aufsässig und selbstgefällig.
«Mach es später», befahl Clarissa, während sie den Frisiermantel aufhob. «Wir haben noch mehr als genug Zeit, bis die Gäste eintreffen werden.»
«Später werde ich nicht mehr da sein», grinste Pascale. «Ich möchte wirklich nicht hierbleiben, um dann von den Freunden Seiner Lordschaft benutzt zu werden. Darüber bin ich erhaben. Heute Abend habe ich frei, um Sebastian zu besuchen. Ah, mon amour. » Sie griff sich das dünne Kleid aus Clarissas Hand. «Ich werde Tante Hester deine allerbesten Grüße überbringen, non?»
«Wie gütig», antwortete Clarissa säuerlich. «Und wenn du dann schon mal dort bist, könntest du auch gleich noch ein paar Türen weiter klingeln und Mr. Ardenzi meine allerbesten Grüße überbringen.»
«Ah, der Künstler», sagte Pascale leichthin und bauschte den Chiffon. «Wie schade, dass Seine Lordschaft ihm gestattet hat zu gehen. Charlotte war so … so enttäuscht. Sie hat mir erzählt, dass er sehr gut war, ein wirklich guter Fick. So hart und roh, hat sie gesagt. Und immer war er so böse und leidenschaftlich. Ich selbst, ich habe ihn nicht ausprobiert. Quel dommage! Vielleicht ist es wirklich so, dass ich ihn besuchen sollte, wenn ich in Chelsea bin.»
Plötzlich brannten Tränen in Clarissas Augen. Hatte Gabriel es wirklich mit dieser ordinären kleinen Schlampe getrieben? Mit diesem inzestuösen Miststück, das keine Ahnung von irgendwas hatte? Sie stellte sich vor, wie die beiden es miteinander taten, wie er seine Finger in den wilden Haaren des Mädchens vergrub, sie küsste, während er sie vögelte.
«Wie kannst du auf diese Weise über ihn sprechen», schäumte sie.
Pascale warf ihr ein langes, herausforderndes Grinsen zu. Ohne nachzudenken, landete ihre flache Hand auf der Wange der unverschämten Zofe. Pascale erholte sich schnell von dem Schlag und sah Clarissa weiter mit demselben empörenden Blick an.
«Bon» , sagte sie. «Das ist es, was Seine Lordschaft sich gewünscht hatte: ein bisschen Feuer in Euch. Sonst langweilt ihn Euer Gehorsam noch. Ihr seid zu bequem geworden, Mademoiselle. Und das ist nicht nach seinem Geschmack. Alors , wollen wir mit dem Anziehen beginnen?»
Den ganzen Nachmittag über waren Kutschen eingetroffen. Gabriel hatte gehört, wie sie über den Vorplatz gerattert waren, die meisten von ihnen waren an seinem hohen, kleinen Fensterchen vorübergefahren, wie er annahm auf dem Weg zum Stall oder zur Küche.
Also stimmte es: Sie hatte seinen Heiratsantrag angenommen. Und heute Abend sollte ihre Verlobungsfeier
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