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Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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an ihrem Hals. «Oder ich werde dich von einem Ohr zum anderen aufschlitzen.»
    Es war ein Messer; sie hatte ein Messer am Hals. Ein überwältigendes Verlangen zu schlucken quälte sie. Je intensiver sie darüber nachdachte, umso mehr schien sich ihr Mund mit Speichel zu füllen. Verzweifelt kämpfte sie gegen diesen Impuls an, da sie Angst hatte, einfach nur zu atmen und vielleicht schon damit zu bewirken, dass die Klinge ihre Haut durchstieß.
    «Dies wird nun für einige Zeit Euer Heim sein», setzte die deutlichere Stimme fort. «Obgleich ich bezweifeln möchte, dass man Euch erlauben wird, dies so zu empfinden.»
    Nein, sagte sich Clarissa, sie würden sie hier nicht gegen ihren Willen festhalten können. Man würde sie vermissen. Immerhin hatte sie ihre Verabredung mit Gabriel nicht eingehalten, und bereits jetzt würde er die Lustgärten bis in jeden Winkel durchkämmen, um sie zu finden.
    Das Messer entfernte sich von ihrer Kehle, und sie schluckte; es war keine Flüssigkeit da. Hände zwangen ihr roh die Arme auf den Rücken. Andere wickelten Band um ihre Handgelenke und machten eine Reihe von Knoten, wobei jedes Ziehen an dem Seil dazu führte, dass die Fessel tiefer in ihr Fleisch einschnitt. Ihr Körper wand sich: eine Geste des Widerstands. Sie wusste, es war hoffnungslos.
    Dann hantierte jemand an ihrer Augenbinde und zerrte sie von ihrer Stirn.
    «Wenn Ihr gehorcht, Mylady, könnte es sein, dass wir dasselbe auch mit Eurem Mund tun.»
    Clarissa zwinkerte heftig mit den Augen. Sie befand sich in einer luftigen Eingangshalle mit weißen Wänden, und obwohl die Beleuchtung durch die dreiarmigen Leuchter gedämpft wirkte, erschien ihr der Raum gleißend hell gegen die erzwungene Dunkelheit zuvor. Riesige, kostbar gerahmte Gemälde schmückten die Wände, und eine Standuhr besagte, dass es eine Viertelstunde nach Mitternacht war. Vor ihr lag eine breite Marmortreppe, deren Geländer mit vergoldeten und gläsernen Ornamenten sich bis zu einer Säulengalerie, hinaufschwang. Darüber befand sich eine zweite Galerie, und noch weiter oben wölbte sich eine Kuppeldecke mit goldgerändertem Wabenmuster.
    Clarissa reckte ihren Hals, denn sie erwartete, Lord Marldon zu entdecken, wie er von einem der Balkone herabgrinste. Aber er war nicht zu sehen.
    «Brinley Jefferson», sagte der Mann zu ihrer Rechten. «Lord Alec Marldons treuer Diener. Ich vermute, wir beide werden uns in nächster Zeit recht häufig sehen. Verzeiht mir, wenn ich Euch nicht die Hand küsse.»
    Clarissa ließ ihren Kopf zu dem Mann herumfahren. Er war von gertenschlanker Statur, hatte einen kurzen schwarzen Lockenkopf und seltsam graugrüne Augen. Sie starrte ihn an, und ihr erhitzter Blick verriet den Zorn, den ihr verbundener Mund nicht ausdrücken konnte. Er lächelte kaum merklich mit schmalen, sinnlichen Lippen und wies mit dem Kopf auf ihren anderen Entführer.
    «Jake Grimshaw, der Stallmeister», sagte Brinley. «Ich hoffe, er war nicht zu grob mit Euch.»
    Jake Grimshaw starrte sie lüstern an. Ein braunzahniges Grinsen machte sich in seinem grauen Stoppelbart breit, und ein lüsternes Kichern kam gurgelnd aus seiner Kehle. Er streckte seine schwielige Hand nach Clarissas Gesicht aus. Sofort zuckte sie zurück.
    «Vorsichtig, Jake», warnte ihn der Diener und hielt die Hand des anderen Mannes mit seiner auf. «Wenn wir jetzt den Knebel entfernen, Miss Longleigh, und Ihr dann auch nur einen Mucks von Euch gebt, legen wir ihn sofort wieder an. Und ich wäre dann auch nicht mehr so galant, Jakes Eifer zu zügeln. Er mag hübsche Mädchen, nicht wahr, Jake?»
    Der untersetzte Stallmeister grunzte zustimmend, und der Diener öffnete den Knoten in ihrem Nacken. Clarissa atmete tief und frei durch und ließ die Zunge in ihrem trockenen Mund kreisen. Aber weder begann sie zu schreien, noch beschimpfte sie diejenigen, die sie hierhergebracht hatten. Als sie es konnte, murmelte sie lediglich ein heiseres «Vielen Dank».
    Doch es waren nicht die Drohungen der Männer, die sie dazu brachten, sich so zu verhalten. Die Gefahr, die von ihnen ausging, war zwar real, sie war aber auch berechenbar. Es war vielmehr die Furcht vor Lord Marldon, die sie lähmte. Die Raffinesse seiner Bedrohlichkeit lag wie eine Aura über dem gesamten Haus, unterdrückte und durchdrang alles.
    Mit starkem Herzklopfen ließ sie widerstandslos zu, dass man sie die flachen Stufen der Treppe hinaufgeleitete. Sie fürchtete, Marldon könne sie heimlich beobachten, um ihre

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