Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
wischte sich gefährlich ruhig den herabtropfenden Speichel ab. Seine Züge waren von Zorn umwölkt.
«Dafür werdet Ihr bezahlen», sagte er langsam und vollkommen kontrolliert. «Dafür werdet Ihr wahrlich und ehrlich bezahlen.»
Olivia lag, in ein Umschlagtuch aus apricotfarbenem Chiffon gewickelt, quer über Lucys Bett, aufgestützt auf einen Ellbogen. Ihre kastanienroten Locken waren nur locker aufgesteckt, und ein paar lose Strähnen fielen über eine Schulter.
«Wann also sollten wir anfangen, uns Sorgen zu machen?», fragte sie und griff nach einer Schale mit Trauben.
Lucy, die am Ankleidetisch saß, warf ihr über den Spiegel einen scheuen Blick zu. «Ich mache mir jetzt schon Sorgen», sagte sie mit einem nervösen Lächeln.
«Darling», sagte Olivia mit einer Stimme, die vollmundig und schmelzend wie Schokolade klang. «Du weißt genau, dass ich Gabriel meinte.»
Lucy zuckte mit den Achseln und puderte umständlich ihre Nase. «Morgen, denke ich», antwortete sie. «Er hatte zwar versprochen, sich heute zu melden. Aber du kennst ja Gabriel: Er lässt sich von irgendetwas ablenken oder überlegt es sich ganz einfach anders. Ich bin sicher, alles hat ganz wunderbar geklappt.»
«Das hoffe ich doch sehr», sagte Olivia und erhob sich vom Bett. «Und ich hoffe, du wirst auch mit dem kleinen Dienstmädchen recht behalten. Ich habe große Bedenken, ihr bei Jane einen Job zu besorgen. Das ist nicht irgendeine verkommene Bumsbude, wie du weißt. Die Mädchen dort haben alle eine gewisse Erziehung genossen.»
Sie stand hinter Lucy und schob mit beiden Händen die üppigen blonden Locken zusammen, um schließlich mit den Fingerspitzen sanft Lucys Kopfhaut zu massieren. Lucy wurde von nervösen Schauern durchzogen.
«Julian bringt ihr das Walzertanzen bei», sagte sie. «Kitty hat sich immer nachts rausgeschlichen, und sie haben geübt. Und fluchen tut sie auch schon nicht mehr ganz so viel. Zumindest nicht, wenn sie sich ein bisschen konzentriert.»
«Nun, das ist immerhin ein Anfang», antwortete Olivia geistesabwesend. «Bist du sicher, dass du auf ihn warten willst, Lucy?»
Sie ließ ihre Finger über die Rüschenborte an Lucys Hemd wandern, die sich von der einen Schulter zur anderen zog. Lucys Herz flatterte. Sie schämte sich sehr, das Verlangen ihrer Freundin auf diese Weise auszunutzen, obwohl Olivia angedeutet hatte, dass sie das nicht stören würde. Lucys Interesse galt Männern, und Männern allein, und diese Sache hatte sie nur deshalb ausgeheckt, um Julian in seiner Selbstgefälligkeit zu irritieren. Bisher hatten ihn ihre Affären und Flirts nicht im Allermindesten gestört, und Lucy hatte es satt, dass er sich ihrer Leidenschaft für ihn immer so sicher sein konnte, satt, als sichere Gegebenheit hingenommen zu werden. Und was sie besonders hasste, war die Tatsache, dass er verheiratet war. Aber trotzdem konnte sie nicht von ihm lassen.
Sein Geist entzückte sie, und ihr Hunger auf seine Spielchen war unstillbar. Er konnte strenger Herr und zärtlicher Liebhaber sein. Aber was sie am meisten an ihm liebte, war, dass seine Lust, sie zu bezwingen, nicht einer verrotteten, verrohten Seele entsprang wie bei Lord Marldon. Bei Julian war es ein Spiel. Bei Lord Marldon, wie sie erfahren musste, war es das nicht.
Im Spiegel traf sie auf Olivias Blick. Die ältere Frau hatte ihr versprochen, sie so lustvoll zu verwöhnen, dass Lord Julian schnell aufhören würde zu glauben, er sei unersetzlich. Lucy war davon noch nicht ganz so überzeugt, und jetzt war der Moment gekommen, an dem sie begann zu bereuen, auf was sie sich da eingelassen hatte.
Gerade wollte sie ihre Zweifel vorbringen, aber Olivia sah sie mit einem derartigen Verlangen an, dass sie nicht anders konnte, als zu schweigen. Eine plötzliche Aufgeregtheit kreiste durch ihren Körper, und sie zitterte vor Erregung und Angst.
«Nein», sagte sie ruhig. «Lass uns nicht auf ihn warten.» Auf diese Weise wäre es weniger kränkend für Olivia, dachte sie, und sie wollte schließlich nicht allzu zögerlich wirken, wenn Julian schließlich käme.
«Du wirst es lieben», flüsterte Olivia. «Du wirst es lieben.»
Sie ließ ihre Hände auf beide Seiten von Lucys Rücken gleiten und über den dünnen elfenbeinfarbenen Stoff, bis sie in die Rundungen ihrer Taille eintauchten und über die Kurve ihrer Hüften fuhren. Sie beugte sich vor, streichelte mit der Hand über Lucys Schenkel und wühlte sich durch ihre dichten, rieselnden Locken, um
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